Samstag, 15. September 2007

Vers- und Bildteil 4

Vers- und Bildteil 4


Ducros

Als nächstes gilt es zu betrachten

bei Ducros, den wir alle achten,

manch interessante Schnitzerei

für die Netsuke-Sammelei.

Da Alain in französisch schreibt,

was ich versteh als Mann,

mir nichts andres übrig bleibt,

als zu tun was ich nicht kann.

Denn leider hapert's in der Sache

mangels Bildung, mit der Sprache.

Doch ist es leicht in diesem Fall,

zu überwinden Sprachbarrieren,

denn Netsukes überall

die Sammler heut verehren.

So war es einfach Ducros Nets'ken

für euch ins Deutsch zu übersetzen.

Auch wenn französisch er geschrieben,

hat Alain niemals übertrieben.

Er erwähnt mit keinem Ton

Frankreich und die Grand Nation.

Im Gegenteil, er gibt es zu,

was ich weiß und bestimmt auch du.

Das hab' ich seinem Buch entnommen,

dass Nets'kes stets aus Japan kommen.

In Ducros Werk, im Bande zwei,

finden wir so mancherlei,

was einem Sammler so wie dir,

Freude macht, so wie auch mir.

1. Der Frosch im Schlangen-Würgegriff

ist Symbol und Inbegriff

dafür, dass keiner ist gefeit

vor des Weibes Sinnlichkeit.

Jener einmal zu entkommen

hatte Quax sich vorgenommen,

doch mit ihrer großen Gosche,

2. schnappt die Schlange nach dem Frosche,

zerrt den ach so Treuelosen

heim, sich daran zu erbosen,

dass der Arme sich durch Flucht,

entziehen wollt' der Eifersucht.

Und was lehrt uns der Bericht?

"Trau einer Schlange niemals nicht".

Als nächstes in der Reihe dann

sind wieder 'mal die Kröten dran.

3. Die erste, es ist eine braune,

hat wie wir sehen, schlechte Laune.

Denn sie hat beim Froschkonzert,

obgleich sie ziemlich laut geplärrt,

weil sie den ersten nicht genommen,

keinen Frosch mehr abbekommen.

Zornig schleicht sie von der Feier,

alleine heim, ganz ohne Freier.

Listig grinsend indes hupft,

4. eine andre, nicht verschnupft;

denn sie konnt' für sich gewinnen

'nen jungen Hüpfer; wie von Sinnen

feiert der mit ihr nun gleich

lustig eine Laich.

5. Zwei Frösche aus der Hochzeitssaga

6. schnitzte für uns Sukenaga.

Wir sehen zu ganz interessiert

was in der Hochzeitsnacht passiert.

Es ist in Japan offenbar

ähnlich wie's bei uns oft war.

Im Schlafgemach, nach viel Tamtam,

wurd' müde schnell der Bräutigam,

der erst gebärdet sich wie toll

schläft ein, weil er des Reiswein's voll,

und die Braut, vor Sehnsuchtsmissen,

weint heimlich in die reinen Kissen.

Die Gäste indes mit Gequake

tun weiter gütlich sich am Sake.

Am Morgen dann im Schlafgemach

wenn ausgeruht man ist und wach,

nachdem vom Glücklichsein geträumt,

wird nachgeholt was man versäumt.

Und wenn dann nach dem Drang und Sturm

7. vor'm Bette liegt ein Regenwurm,

hören wir das Fröschlein sagen:

"Liebe die geht durch den Magen".

Wenn dann das Frühstück einverleibt,

man sich die Zeit damit vertreibt,

so quakt der Frosch verstohlen,

das Spiel zu wiederholen.

Danach ruht man sich erst mal aus.

Wir seh'n er sieht zufrieden aus.

So hat Goho ihn einst geschnitzt,

8. wie er auf dem Blatte sitzt.

Wir seh'n ihm an, er ist kein Spießer.

Glücklich schmunzelt der Genießer,

wartet darauf unbeirrt,

dass es Abend endlich wird,

dann wird einer drauf gemacht,

nachgeholt die Hochzeitsnacht.

Während der Frosch im honey moon

alle Hände voll zu tun

hat, blättern wir bei Ducros weiter.

Ein Sennin lachend froh und heiter,

9. spielt mit seinem Kröterich.

Geschaffen wahrlich meisterlich

hat dieses Paar Sadanobu.

Wir staunen nur und geben zu,

dass vor Neid wir schier erblassen.

Zu gut in unsre Sammlung passen

würd' des Sennins heitre Miene

auch in unserer Vitrine.

Doch das Paar, so lebensfroh,

steht leider irgend anderswo.

Als nächstes, non tabula rasa,

folgt vom großen Toyomasa

eine Netsuke-Schnitzerei,

lebensnah bis ins Detail.

Wir staunen, unser Atem stockt.

Dem Sennin der am Boden hockt,

10. kriecht eine Kröte, riesengroß,

auf den Rücken, furios!

Keiner weiß, was sie dort will.

Doch der Sennin, der hält still.

Ja er lacht sogar dabei,

als wäre es nur Spielerei.

Was wirklich sie vom heil'gen Mann

wollt, auch ich nicht sagen kann.

Wahrscheinlich war's aus Dankbarkeit,

weil der sie hat vor langer Zeit,

als krank sie tief im Dreck gelegen,

mitnahm, sie gesund zu pflegen.

Oder ist es gar noch mehr

als man zugab schon bisher?

Hat die Kröte eingelullt

den Sennin etwa gar okkult,

ihn zu bezaubern, das bekunden

alte Schriften massenhaft,

die ich in Japan hab' gefunden.

Doch was nutzt solch Zauberkraft,

wenn man damit die Zeit vertreibt

und doch ein armer Schlucker bleibt?

Was nutzt denn solcherlei Magie,

wenn die Kröte bleibt das Vieh

mit Warzen und mit breitem Maul,

welches für jedermann ein Graul.

Wir wissen's nicht, doch könnt' es sein,

dass die Verwandlung stellt sich ein

bei Dunkelheit und finst'rer Nacht,

dass dann erst wirkt die Zaubermacht.

Vielleicht im Finstern, so könnt's sein,

stellt sich Meta-Morphose ein;

dreht heimlich nachts zur Geisterstunde

im Sammlerschranke eine Runde,

macht aus der Kröt' ein Mägdelein:

O je, das hätt' ja nur ein Bein.

Könnt' in flagranti man ertappen

die beiden, welch Skandal,

bräucht' man im Dunkel nicht mehr tappen.

Doch bisher, leider jedes Mal,

wenn heimlich ich nach Mitternacht

blitzschnell das Licht hab' angemacht,

saßen die beiden still wie immer,

in der Vitrine dort im Zimmer.

Als nächstes aus der Sumpfregion,

ein Fungus, 'ne Art Champignon.

11. Unter der Kappe hingeschmiegt,

ein zartes junges Fröschlein liegt.

Neben dem, ragt ei der Daus,

gebogen prall der Stiel heraus.

Was das bedeutet ahnen wir.

Als Phallussymbol dient er hier.

Am Nets'ke, nicht zu übersehen,

gab man damit zu verstehen,

dass man auf der Suche war.

Nach was, das wird uns auch gleich klar.

Der zarte Chrysanthemenzweig

gab 'nen dezenten Fingerzeig,

dass die Gesuchte sollte rein,

so wie das Chrysanthemum sein.

Mit andern Worten, für das Bett,

eine Jungfrau, hübsch und nett.

Dass solcherlei Werbemethode

in Japan damals große Mode

war, erkennen wir daran,

dass dies Motiv man finden kann

häufig in der Nets'ke-Kunst.

Mancher warb um Petri's Gunst,

um beim Angeln und beim Fischen

stets was Frisches zu erwischen.

Jedoch so manchem Außenseiter

half selbst das Nets'ke nicht viel weiter.

Bei Ducros gibt's noch mancherlei

Nets'kes froschbezogen.

Doch nicht jede Schnitzerei,

so hab' ich es erwogen,

wurd' abgebildet hier im Band,

weil ich sie zu ähnlich fand

mit andern Fröschen die bereits

abgebildet ihrerseits.

Einen noch, der interessant,

ich bei Alain Ducros fand.

In einem gewölbten Lotosblatt

sitzt ein Krebs versteckt.

Was er dort macht, auch ich war platt,

was der sich ausgeheckt.

Er zwickt mit seiner scharfen Schere

12. ein Fröschlein in das Hinterbein.

Das tut dem Grünen weh gar sehre

und ist auch hundsgemein.

Wie es kam zu diesem Zwist?

Seit alters her mit Tück' und List

sind Krebse hinter Fröschen her.

Dies berichtet schon Homer.

Das achtbeinige Schalenvieh,

in der Batrachomyomachie,

hat damals schon gern Streit gesucht.

Es trieb die Frösche in die Flucht

als diese im Froschmäusekrieg

tapfer kämpften, nah dem Sieg,

schlugen die Entscheidungsschlacht,

schickte Zeus in Anbetracht

der beiden wack'ren Heere,

die Krebse mir der Schere.

Die beendeten den Streit,

der getobt hat seiner Zeit.

Die Schlacht am großen, tiefen Teich,

im antiken Griechenreich

ging in die Geschichte ein.

Unvergessen wird sie sein

denn der Krieg zog seine Spur

durch die Weltliteratur.

Bei uns war's Georg Rollenhagen,

der aufschrieb was sich zugetragen.

Im Froschmeusler von 16-acht

berichtet er von dieser Schlacht,

die in jenen schlimmen Tagen

Frösch' und Mäuse ausgetragen.

Die Frösche waren nah dem Sieg

damals im Froschmäusekrieg.

Doch heut weiß man es überall.

Durch einen feigen Überfall

hat das Kampfglück sich gewendet.

Der Krieg wurd' damals nur beendet,

weil beide Heere Schutz gesucht

vor den Krebsen auf der Flucht.

Heut' noch, selbst beim Fliegenfischen

mischen die Krebse sich dazwischen,

machen so den Fröschen klar,

wer der antike Sieger war.

So die Moral vom alten Poem:

Selbst der Japaner fand ihn schön.

Und hat den Streit, den so uralten

auf dem Netsuke festgehalten.

Vielleicht als Denkanstoß der Kunst,

dass alle Kriege sind umsunst.

Joe Earle

Der Frosch entkam, jetzt ist er froh.

13. wir seh'n ihn auf 'nem Blatt bei Joe

Earle, welcher in der Reihe dann,

als Autor ist als nächster dran.

Er schaut noch etwas skeptisch drein.

Doch bald wird es ihm besser sein.

Im nächsten Bilde wir nun sehen

14. zwei Sennins beim Spazierengehen.

Während sie gemeinsam wandern,

fragt interessiert einer den andern:

"Was gibst du deinem Kröter bloß

zu fressen, er ist schon so groß

im Vergleich mit meinem

kleinen?

Ich besorg' ihm fette Fliegen,

doch er ist nicht satt zu kriegen,

frisst die Haare mir vom Kopf.

Ich bin schon jetzt ein armer Tropf.

Kauf' Mücken, Asseln, Spinnen, Motten,

mir fehlt das Geld schon um Klamotten

mir 'mal in Tokyo zu kaufen.

Ich muss im alten Rock 'rumlaufen.

Und das Schlimmste ist dabei,

dass ich dank seiner Völlerei,

total bin auf den Hund gekommen

und er kein Gramm hat zugenommen.

Schau ihn nur an, er nimmt nicht zu.

So sag' mir doch, wie machst das du

mit deinem Kröter der schon groß?

Erzähl es mir, was machst du bloß?"

Der andre als Erwiderung

sprach: "Für die Raubtierfütterung

reich' Schappi ich und Kittekat.

Doch davon wird er längst nicht satt.

Als Zusatz, das musst du versuchen,

täglich drei Pfund Hundekuchen.

Engerlings-Wespensalat,

damit er auch 'was Frisches hat.

Bei dieser Kost wird auch dein Kröter,

groß sein demnächst wie ein Köter.

Und was man sonst zum Abfall schmeißt,

mein Kröter nebenbei verspeist.

Den Bandwurm, den ich hatt' vor Wochen

musste ich ihm nicht 'mal kochen.

Den hat er, mich hat's nicht geschert,

wie er war und roh verzehrt.

Verzog beim Fressen keine Miene.

Ja, so ein Tier braucht Vitamine.

Mein Quaki ist nicht sehr verwöhnt.

Bei Hausmannskost er niemals stöhnt.

Frisst, was anfällt so im Haus;

manchmal den Abfalleimer aus.

Besonders gerne hat er Maden.

Und das Wasser, nach dem Baden,

diesen Schaum- und Seifensud,

trinkt er und es schmeckt ihm gut.

Nur eines lässt er steh'n mir prompt:

Rindfleisch, das aus England kommt."*21

Harris

Wie lang die beiden so geplauscht,

ihr Wissen haben ausgetauscht,

davon bei Joe Earle keine Zeile.

Wir sind bei Harris mittlerweile.

Bei ihm im Buche vornean

15. schon wieder solch ein heil'ger Mann

der seinen Kröter hegt und pflegt.

Er spricht mit ihm ganz angeregt.

Was er ihm da grad’ erzählt,

und welche Sprache er gewählt,

das wiederum steht im Bericht

von Victor Harris nicht.

16. Und auch kein Wort zum nächsten Paar.

Vermutlich war es ihm nicht klar,

was auf dem Lotosblatt die beiden

miteinander treiben.

Sie lieben sich, gar keine Frage,

doch ist nicht rosig ihre Lage.

Der Frosch, obgleich er ist vom Fache,

kommt nicht 'ran recht an die Sache

denn die Schildkröt' diese blöde,

gibt sich schamhaft und arg spröde.

Während er schon im Reflex

ist bereit zu Lust und Sex,

hat sie noch nichts dazugetan

und immer noch ihr Hemdchen an.

Was letztlich dann zur Folge hat,

dass die Liebe steckt im Patt.

Worauf die Schildkröt', er perplex,

spricht, "das nennt man safer sex".

So die Moral von diesen Zeilen:

In Kröten täuscht man sich bisweilen.

Oft was sie im Schilde führen,

bekommt man später erst zu spüren.

Doch weiter, weg schnell vom Skandale,

17. zu einer alten Strohsandale.

Geschnitzt aus reinstem Elfenbein

sitzt ein Kröter ganz allein

sehnsüchtig auf dem Armenschuh.

Gefertigt von Masa Katsu

in hintergründiger Manie,

anzulocken durch Magie,

aus dem Geschlecht der Weiblichkeit

ein Exemplar zwecks Zweisamkeit.

Meistens wirkte dieser Zauber.

Selten nur blieb eine sauber.

Doch das Geschlecht, das weibisch schwache,

sinnierte fortan nur auf Rache.

Für manchen, der die Froschsandale

am Obi trug, wurd' dank Kabale,

was geplant kurz und vergänglich,

im Endeffekte lebenslänglich.

Manch Frosch nahm dies dem Weibe krumm.

18. Auf der Sandale andersrum

sitzt einer, er quakt keinen Ton

in der Hull Grundy Collection.

Er denkt bei sich mit Hintersinn:

"Gut, dass ich ein Homo Quakiens bin".

Das nächste Schnitzwerk, handsigniert

hat Goho dereinst kreiert.

19. Aus einem dunklen Bambusrohr

schaut ängstlich eine Kröt' hervor.

Vom Gürtel wo sie wurd’ getragen,

blickt sie auf, als wollt' sie fragen:

"Kannst du mir noch mal verzeih'n,

dass ich zu dir war so gemein

vor langer Zeit hab' unverhohlen

dir den Lebenstau gestohlen."

Aus des Eigentümers Sicht

scheint aus dem Dunkel sie ans Licht

zu drängen, unter Wehestöhnen,

um sich mit diesem auszusöhnen.

Ich glaub' beinah, was unerhört,

dass das Nets'ke ihm gehört

hat einst; dem Bogenschützen Hou.

Zu ihm, so scheint es fleht sie," du

vergib mir und sei wieder mein".

Die Kröt' demnach Chang Ngo musst' sein.

Wie Hou darauf hat reagiert

hab' ich bis heut nicht recherchiert.

Doch anzunehmen wäre dies:

Dass er sie erst 'mal zappeln ließ.

So mancher Frosch als Kostbarkeit

saß über dem Kimonokleid

und wurde dort am Gürtel stolz,

getragen als Netsukeholz.

20. Der blaue auf der Lotosfrucht

zu erklären uns versucht,

dass der Lotos seinerzeit

stand für die Unsterblichkeit.

Er selbst durch seine Froschgestalt,

weist hin auf den Symbolgehalt,

der ihm eigen in Person

ist seit den Ägyptern schon.

Damals zur Pharaonenzeit

stand er für die Ewigkeit.

Als Hieroglyphe diente er

für das Wörtchen Wiederkehr.

Ein Kind aus seiner Quappenschar,

stand für 100.000 gar

als hieroglyphisches Symbol

und als Fruchtbarkeitsidol.

Kein Wunder; dass solch Eigenart

als Nets'ke fand 'nen Widerpart.

Vom Nil zurück ins Dachgeschoss

21. von einem zarten Bambusspross.

Die Frucht mitsamt dem grünen Vieh

gilt als Nets'ke-Allegorie

für Wachstum, Fruchtbarkeit und Leben,

das durch den Schössling wird gegeben,

und weiter, selbst wenn es absurd,

für Auferstehung, Neugeburt.

Der Frosch, das hat er nun davon:

Er hockt als Reinkarnation,

geschnitzt aus Elefantenzahn,

herum nun als sein eig'ner Ahn.

Ein and'rer tritt in seine Stapfen.

22. Hoch oben auf dem Pinienzapfen

gibt er uns den Querverweis

zu dem Auferstehungskreis.

Der Frosch in dulci jubilo

quakt dazu fortissimo-

ein Liedchen voller Heiterkeit,

Froschkonzert in Ewigkeit.

23. Auf einer Kürbis-Gurkenfrucht

ein Froschpaar zwecks der Massenzucht,

übt lustig, fröhlich und frivol,

denn als Fruchtbarkeitssymbol,

wenn der Ruhm soll nicht verblassen,

darf man sich nicht hängen lassen.

Aus dem 19.Jahrhundert

stammt ein Nets'ke vielbewundert.

24. Ein Lotosblatt zu Kelch gerollt,

von Hidesada so gewollt.

Geschnitzt aus purem Elfenbein,

geeignet für den Sake-Wein.

Verziert im San-Sukumi-Stil

mit Fröschlein, Schnecke und Reptil.

Auf Okkultismus und Magie

weist hin das Schleim- und Schlangenvieh.

Im Becher war bestimmt zumeist

jener scharfe Krötengeist,

welcher Spiritismuskraft

verleiht, so wie der Sake-Saft.

In der Hull/Grundi-Kollektion

gibt es noch viel mehr davon.

Harris hat uns dargestellt

manches was uns sehr gefällt.

Zum Beispiel Schlange, Frosch und Schnecke

die sich bringen um die Ecke

gegenseitig, was bekannt,

"three cringing ones" deshalb genannt.

25. Auf einem Dachreiter von weitem

seh'n wir die Bagage streiten.

Was sagt uns diese Schnitzerei?

"Feigheit, Kriecher-, Schleimerei

sind Wesenszüge die zu meiden

es gilt, denn die mag keiner leiden.

In Elfenbein hat illustriert

Gyokuo dies und handsigniert.

Als nächstes, nun aus Rentierhorn,

26. ein Nets'ke gar in Herzensform.

Auf Lotosblättern flach und stumm

ein Frosch nebst Chrysanthemeum.

Das Fröschlein wollte uns wohl sagen,

dass früher, als es noch getragen

als Netsuke hing am Kimono,

galt lange Zeit als A und O.

Das Tier, das anderswo verschmäht,

stand auch für Religiosität.

Heilwissen sagte man ihm nach.

Beweise gibt es mannigfach

wo, wenn jemand krank gewesen,

ein Fröschlein half ihm zu genesen.

In Japan wissen heut' noch alle:

"Der Frosch hilft stets im Krankheitsfalle".

Und wenn man glaubt ganz fest daran,

so die Theorie,

dass ein Fröschlein helfen kann,

wirkt die Therapie.

27. Das nächste Kunstwerk macht uns klar,

dass man in Japan gläubig war.

Die Schnecke für Vergänglichkeit

stand, das weiß man wohl.

Der Frosch in Japan seinerzeit,

für Wiedergeburt galt als Symbol.

Der Pilz zeigt an, dass neugeboren

aus Schneckenstaub hermaphrodit,

aus Verwesung seine Sporen

entstanden und aus Schiet.

Das Fröschlein weist mit wachem Sinn

auf diese Art von Mythos hin.

Es gilt als eine Art Patron

in der Buddha-Religion.

Durch dieses Auferstehungszeichen

wollt' sein Schöpfer unterstreichen,

dass Gläubigkeit solch einem Mann

der es trägt nicht schaden kann.

28. Im nächsten Bild, das ist uns klar,

die Schneck' bereits verstorben war.

Der Pilz-Hallos deutet es an,

wie Leben noch entstehen kann.

Durch Selbstbefruchtung zwiddergleich,

entstand der Frosch im Buddhareich.

Das Chrysanthemum weist drauf hin,

dass in Reinheit der Kretin

von einem Frosch entstanden sei,

durch Gottes Werk von Sünde frei.

Der Frosch , er wirkt noch ziemlich klein,

man sieht noch nicht den Heiligenschein.

Ob uns das Fröschlein hat verprellt,

das lassen wir dahingestellt.

Neugierbeflügelt finden wir

auf einem Lotos diesen hier.

29. Frosch auf Lotos, mittlerweile

wissen wir was ihm zuteile

wird. Vor Weisheit und Unsterblichkeit

ist auch dieser nicht gefeit.

In Ehrfurcht stehen wir und schweigen.

Ob dem so ist das wird sich zeigen,

wenn wir einst drüben im Nirwana

begegnen wieder diesem Rana.

Lasst, ohne Tränen zu vergießen

uns die Grundy-Sammlung schließen.

30. Das Lotos-Frosch- und Schlangen-Nets'ke

ist bei Harris eh' das Letzte,

so dass für dieses Exemplar

wir sparen uns den Kommentar.

Eines, um auch das zu sagen,

bleibt mir hier noch nachzutragen.

Harris schrieb mit Smith und Clark

ein Buch über die Nippon-Art.

Und was fand ich dort darin?

31. Frau Kröte mit dem Herrn Sennin.

Signiert von Omiri Eisho

siebzehnhundert-sechzig-zwo.

Später dann, nach zwei drei Stunden,

hab' ich noch 'mal drei gefunden.

Von Yoshitada stammten zwei.

32. Der auf der Box von Shomosai.

Signiert ist er in Kakihan.

Seht euch den Frosch genauer an.

Er ist ganz grün schon im Gesicht.

Verträgt das Rauchen wohl noch nicht.

Sein Bauch schmerzt sehr und ihm ist schlecht.

Selber schuld, 's geschieht ihm recht.

Ob's ihm inzwischen besser geht?

Nichts davon im Buche steht.

Sollt' er am Ende nicht mehr leben,

hat er das Rauchen aufgegeben.

Fröhlich, lustig, heiter, hurtig

nun zum Autor Bernhard Hurtig.

Hurtig , Bernard

33. Bei Hurtig gleich das erste Vieh,

stellt die Frag' nach Sein und Schein.

Die lautet: "Bee or not a bee".

Die Antwort stellt sich ein

just in dem Moment sogleich,

wo die Kröte einfallsreich

ihre lange Zunge streckt

und an dem Insekte schleckt.

Was als Fliege hat gerochen

hat als Wespe sie gestochen.

Wodurch der Kröte wurde klar,

dass diese Frage wichtig war.

Als Lehre prägte sie sich ein:

Trügerisch ist oft der Schein.

Nachdem die Frage nun erhellt

die Shakespeare in den Raum gestellt,

34. zwei Sennin's bei der Diskussion,

was vor der Reinkarnation

die Kröten alles schon gewesen.

Gar lustig manche Hypothesen

die übermütig vorgebracht.

Ganz herzlich wurd’ dabei gelacht.

Der eine meint: "Mein Kröter war

ein bekannter Busenstar".

Der andre spricht und lacht dabei:

"Und meiner war ein Samurai".

Mit Phantasie und viel Humor,

stellten sich die beiden vor

was aus ihnen könnt’ auf Erden,

im nächsten Leben einmal werden.

Der erste lacht: "Ich hoffe nur,

wenn ich einmal kehre retour,

dass ich nicht ein Kröter bin,

wie meiner mit 'nem Doppelkinn.

Ich wünscht', ich könnte einmal sein,

ein hübsches rundes Mägdelein.

Der andre lacht und spricht dazu:

"Ich hoffe, dass zuerst stirbst du!

Wenn du dann wiederkommst werd' ich

öfter 'mal besuchen dich."

Und grinsend fügte er noch an:

"Ich hoffe, dass als Don Juan

ich wiederkehr', sei auf der Hut;

dann hätten wir es beide gut."

So alberten die zwei Asketen.

Doch Buddha ihrem Gottpropheten

missfiel die schnöde Lästerei.

Im nächsten Bild seh'n wir die zwei

nach der Reinkarnation.

Das haben sie davon!

35. Doch wie vor langer Zeit versprochen,

kommt der Don Juan gekrochen

zum hübschen runden Mägdelein

und löst sein Versprechen ein.

Der Fungus hat es angetan,

wie man bei Hurtig sehen kann

36. auch dem kleinen dicken Frosche

mit der breiten Lurchengosche.

Wir erwischten ihn dabei,

wie er die Sache im Detail

ganz genau hat untersucht,

offenbar aus Eifersucht,

weil, was er am Pilz entdeckt,

was immer dieses auch bezweckt,

mit seinem Frösche-Horizont

an sich selbst nicht finden konnt'.

Was dem Frosch am Pilz gefiel

war offenbar des Pilzes Stiel,

der aus der Kappe drängt gebogen.

Neugierig und ungezogen

sieht er sich aus der Nähe an

was da sonst noch alles dran.

Die Kugel, die so wie ein Knauf,

oben auf dem Stiel sitzt drauf,

weckt sein besonderes Interesse.

Er tastet danach mit Finesse...

Was das Netsuke deutet an,

weiß der aufgeklärte Mann.

Lassen wir den Frosch studieren.

Sollte er sich verlustieren

an dem Pilz und seinem Schaft

dient das nur der Wissenschaft.

Als Frosch hat er das Recht dazu

den Pilz zu untersuchen.

Für uns ist dieser Pilz tabu,

auch wenn wir drüber fluchen.

Denn der Fliegenpilz wie kein

andrer Pilz kann giftig sein.

37. Vom Giftpilz auf den Brunnentrog*22

führt mich nun der Monolog,

zum Frosch der sich hatt' vorgenommen

dem Brunnendasein zu entkommen.

Clever wie ein Frosch stets ist,

wandte an er eine List.

Als jemand kam zum Wasserfassen,

den Eimer hat hinabgelassen,

setzte drauf sich der Filou.

So gelang ihm dann der Coup.

Nachdem geglückt ihm so die Flucht,

er oben nach dem Teiche sucht,

ganz in dem Bestreben

endlich mal zu leben;

wie sich's gehört für seinesgleichen,

mit einer Kröt' erst 'mal zu laichen

und danach für sein Verlangen,

ein paar Mücken sich zu fangen.

Ganz vertieft in diesem Sinn

zieht es ihm zum Wasser hin.

Vom Ufer aus, schier blind vor Glück,

springt er ab; ..und ist zurück

im Brunnen wo er jahrelang

geplant was letztendlich misslang.

So die Moral noch kurz anbei:

Was unsigniert die Schnitzerei

erzählen will uns so gekonnt.

„Ein Fröschlein das als Horizont

kennt nur den eig'nen Brunnenrand,

dem ist auch sonst nicht viel bekannt“.

Von dieser Weisheit schier erdrückt

sehen wir auf und sind entzückt

38. von einer Pogge dick und rund.

So um die sechs bis sieben Pfund

bringt sie sicher auf die Waage.

Das Schlimme ist an ihrer Lage,

dass sie nur drei Beine hat,

deshalb wirkt sie auch so matt.

Schleppend quält sie sich voran,

so dass man ihr nur wünschen kann,

dass ein Sennin kommt vorbei,

der das Hüpfen bringt ihr bei.

Gemeinsam wollen wir nun hoffen,

dass sie diesen hat getroffen.

Und tatsächlich, Ko Sensei

39. auf dem Wege zur Abtei,

fand die Kröte, bracht die Kleine

ruckzuck wieder auf die Beine.

So läuft sich's besser, auf den seinen

denkt die Krott, "das will ich meinen".

Sie fühlt sich besser, ihr geht's gut.

Sie grinst bereits im Übermut.

Und auch der Sennin scheint zufrieden,

dass er sich der invaliden

Kröte damals angenommen,

sonst wäre sie noch umgekommen.

So die zwei im Hurtig-Band

ich gestern beim drin blättern fand.

Das nächste Zierstück, hart und fest,

40. aus Holz geschnitzt, ein Froschen-Nest.

Wir sehen was das Fröschlein tut.

Es sitzt dort brütend auf der Brut.

Was ausgebrütet hat der Wicht,

sagt uns Bernhard Hurtig nicht.

Ein andrer Frosch, im Hurtig-Band,

41. auf einer Giftpilz-Kappe stand.

Hielt Ausschau von des Pilzes Rücken,

nach Spinnen, Fliegen, Asseln, Mücken.

Den Falter, der vorbeigekommen,

hat er aber auch genommen.

In Bernhards Buche "masterpieces"

fand ich später auch noch dieses.

Ein Nets'ke elfenbeingeschnitzt:

42. 'Ne Maus, die auf 'nem Frosche sitzt

und mit ihrem langen Schwanze,

den sie führt wie eine Lanze,

auf dem Frosch ganz ungeniert,

eine Fliege attackiert.

Der Frosch auf seiner Lotosfrucht

offenbar nach Halt dort sucht.

Während seine rechte Hand,

ihr Ziel, die Fliege nicht recht fand,

die auf seiner Augenbraue

hockt als ganz besonders schlaue.

Was will uns dieses Schnitzwerk sagen,

so werden wir uns alle fragen.

Es könnte sein, dass Pausback gar

das Vorbild für das Fröschlein war.

Demnach wär', das schließ ich draus,

Krümeldieb die freche Maus,

die auf seinem Rücken hockt

und mit dem Schwanz die Fliege lockt.

Wenn richtig dieser Sachverhalt

liegt geschichtlicher Symbolgehalt,

Hintergrund und tiefer Sinn

in diesem Nets'ke-Kunstwerk drin.

Dann symbolisiert das Werk den Streit,

der stattfand in antiker Zeit

zwischen zwei Völkern stark und reich,

an einem Teich.

Ausgelöst wurd einst der Krieg

durch den Tod von Krümeldieb,

der, weil er 'nen Frosch gekränkt,

von diesem wurd’ darauf ertränkt.

Für den Netsuki, zum Verstehen,

ein kleiner Abriss vom Geschehen

findet sich als Chronologie

beim Stichwort Batrachomachie.

Nachdem ihr euch nun informiert

darüber was damals passiert,

pflichtet ihr mir sicher bei,

dass unsre Nets'ke-Schnitzerei

darstellt Pausback und Krümeldieb

an jenem Tage vor dem Krieg.

Wir seh'n sie bei der Überfahrt

geschnitzt hier in Netsuke-Art.

Vom Kriegsgescheh'n in jenen Tagen

berichtet Georg Rollenhagen.

Sein Froschmeusler, ich sag es schnell,

ist immer noch hoch aktuell.

Er zeigt uns auf die Strategie:

Kriege sind Schizophrenie!

Trotzdem, selbst in unsrer Zeit

sind Herrscher noch dazu bereit

in den Krieg zu investieren

statt vernünftig zu regieren.

Noch heut' treibt mancher unbedacht

Missbrauch dort oben mit der Macht.

Aus Blähsucht, Dummheit, Übermut

wird schnell ein Streit der zu nichts gut.

Angezettelt stets von jenen,

die das Vertrauen überdehnen,

mit dem das Volk sie ausstaffiert.

Noch viele sind heut' so borniert

wie es die Gegner einstmals waren

im Tierkrieg vor zweitausend Jahren.

So die Moral: Was einst Homer

niederschrieb Herrschern zur Lehr

wird von diesen arrogant

ins Reich der Phantasie verbannt.

Bleibt für die Frösche nur zu hoffen,

dass ihr Teich nicht auch betroffen

wenn einer, was schon programmiert,

es wieder einmal ausprobiert.

Doch lasst vom Kriegsgefasel nun

uns 'nen Blick ins Leben tun.

So wie es hier ist oft der Fall

ist es in Japan überall.

43. Was uns das nächste Fröschlein zeigt

ist wie in Japan man verneigt

sich wenn man vor jemand Achtung hat.

Wie der Quaki auf dem Blatt,

biegt man seinen Rücken krumm

und macht einen Diener stumm.

Als Unterlage dient ein Blatt,

dass der Frosch stets bei sich hat.

Dies' erfüllt den guten Zweck,

dass die Nase nicht im Dreck,

bei einem, der zu tief sich neigt,

stecken bleibt.

Auch wenn das Fröschlein schweigt dazu:

Seiyodo Tomiharu

hat es aus Holz geschnitten.

Ein Meisterstück, ganz unbestritten.

Auch der nächste war ein Meister.

Toyomasa hieß und heißt er,

denn was er geschaffen hat,

ist ein Kunstwerk in der Tat.

44. Ein Sennin sitzt, in Durchschnittsgröße

vor uns, geschnitzt als Akt.

Ein Handtuch nur bedeckt die Blöße,

ansonsten ist er nackt.

Hinter ihm, in Übergröße,

sein Kröter steht als Fakt.

Was der dort tut, ob gut ob böse

bleibt rätselhaft uns und abstrakt.

So die Moral: Der Kunstgenuss

entsteht indem man denken muss.

Ob in dem Fach wir sattelfest,

uns richtig denken dann den Rest,

das ist die Frage, die sich stellt,

die an der Kunst uns so gefällt.

Aus der Kürbis-Froschen-Saga

sitzt, geschnitzt von Sukenaga,

ein Fröschlein aufrecht, gar nicht dumm,

45. auf einem Kürbisstrunk herum.

Der Frosch, was man nicht sehen kann,

benutzt den Strunk als Talisman,

denn nach altem Aberglauben,

den auch Frösche sich erlauben,

und sie glauben daran gern;

hält der Kürbis Unglück fern.

Was der Aberglaub' verspricht,

ob er wirksam oder nicht,

kann ich freilich auch nicht sagen.

Doch was sich dann hat zugetragen

sehen wir im nächsten Bild.

46. Ein Freier schleicht sich an, gewillt

dem Fröschlein ein Geschenk zu bringen.

Das hat er ihr nach kurzem Ringen

schließlich dann auch überbracht...

was beide glücklich hat gemacht.

So geseh'n war die Magie

wirksam bei dem Lurchenvieh.

Ob das auf Menschen übertragen,

ähnlich ist, man müsst' es wagen.

Man könnt' es ja 'mal ausprobieren.

Ohne sich lang zu genieren,

im Sommer, wenn es draußen trocken,

auf einen Kürbis 'mal zu hocken,

zu testen, ob , was hier der Unke,

gelungen auf dem Kürbisstrunke,

auch uns gelingt. Den Aberglauben

sollte man sich 'mal erlauben.

So, falls ihr beim Spazieren gehen

solltet 'mal ein Fröschlein sehen,

auf einer Kürbisfrucht im Garten:

Nicht erst lange warten.

Aus dem Garten, der beschrieben

hat der Nachbar mich vertrieben

weil er keinen Spaß versteht

wenn's um seinen Kürbis geht.

Sein Weib, indes, welche vom Fache,

in der Kürbis-Ernte-Sache,

tief gebückt im Kürbisbeet,

ihren Gatten nicht versteht.

Ihr Mann, den sie nur Fröschlein nennt,

schimpft auf den Nachbarn vehement,

obgleich er doch längst wissen sollt',

was der im Garten hat gewollt.

"Fröschlein", spricht sie, "hör mir zu:

Der Nachbar, nicht so faul wie du,

ist ein lieber, guter Mann.

Er bot sich mir als Helfer an,

wollt' sich nicht wie du verdrücken,

wieder mal vom Kürbispflücken".

Von der Cucurbita-Frucht,

die im Garten wir gesucht,

zurück nun zu den letzten beiden

Fröschen, die nicht unbescheiden,

geschaffen einst von Meisterhand,

wir finden dort im Hurtig-Band.

47. Der eine sitzt, ganz unsigniert

auf einem Pilze kultiviert.

48. Auf dem Lotos, sein Kumpan

wurd geschnitzt einst von Shozan.

Mit Shozan, dem Pionier

und Nets'ke-Künstler schließen wir.

Masterpieces of Netsuke-Art

sind heute, in der Gegenwart,

das stellte Bernhard Hurtig klar,

begehrt beim Sammler, weil sie rar.

Impey

49. Ein Nets'ke von ganz andrer Art,

50. jedoch nicht weniger apart,

mit großem Himotoshiloche,

stammt aus unserer Epoche.

Geschnitzt wurd' es vor dreißig Jahren,

das hab' bei Impey ich erfahren.

Ein Netsukeshi von Format,

schnitt in Ukibori-Art,

seine Signatur dann stolz,

in das Frosch-Netsuke-Holz.

"MW", für Michel Webb las ich

bei Impey, der erinnert sich.

Janata

Damit wär'n wir in Sachen Lurch

bereits bei O.R. Impey durch.

Als nächster folgt aus Austria,

der Wiener Alfred Janata.

Er hat uns ein Geschenk gemacht;

51. ein Bokuto mitgebracht.

Darauf ein Frosch, ins Holz geritzt,

der schelmisch am ob'ren Ende sitzt.

Was macht der grüne Sittenstrolch

dort nur auf dem Ärzte-Dolch,

so höre ich euch skeptisch fragen.

Janata wird's uns gleich sagen:

"Der Frosch darauf steht als Symbol

für Heilkraft und Genesung wohl.

Gesundheit, Hilfe bot er feil

der Doktor, nicht das Gegenteil.

Das Bokuto-Schwert, ideell,

versinnbildlichte ein Skalpell,

das dem Kranken Hilfe brachte

wenn es schnitt ins Eingemachte.

Hingegen war das Original

aus Holz geschnitzt: Dies Material

war bestenfalls gut fürs Prestige.

Erinnerte, Noblesse oblige,

den Arzt in Japan stets daran,

zu helfen jederzeit human."

Ein andres Nets'ke hat in Wien,

Janata sich ausgelieh'n.

52. Das Manju, dieses schöne runde,

vom Museum für Völkerkunde,

zeigt uns auf einem Lotosblatt,

zwei Hetschen ringend. Einer matt

vom langen handgreiflichen Streit,

liegt rücklings schon aufgabebereit.

Den andern stört das freilich nicht.

Er schlägt ihm weiter ins Gesicht.

Was zudem nachher noch gescheh'n

kann man im Original beseh'n.

Es liegt in Wien in der Vitrine,

in der mit kämpferischer Miene,

nebenan ein Samurai,

auf einer Nets'ke-Narretei,

wütend fuchtelnd mit dem Schwert,

sich gegen eine Kröte wehrt.*23

Dieses köstliche Indiz

japanischer Kunst hat im Besitz

nebst manch’ ander’m, zum Vergleich,

heut man in Wien, in Österreich..

Aus Wien zurück, ohne zu rasten

wir zu Henry Joly hasten.

Henry Joly

In Henrys Buche finden wir,

gleich vornean ein wildes Tier,

das mit der Gama ist verwandt,

und bei uns wird Frosch genannt.

Wir sehen gleich im ersten Bild,

das Tier ist grausam, furchtbar wild.

53. Es hat den Sennin angesprungen,

hätte beinah' ihn verschlungen.

Dann, plötzlich anders disponiert,

es Sennins Haartracht ramponiert.

Das ist dem Heiligen egal,

denn auf dem Kopfe ist er kahl.

Von der spiegelglatten Glatze

zu der nächsten grünen Fratze.

54. Im Esslöffel, schön warm den Hintern,

macht ein Frosch zum Überwintern,

weil kalt im Herbst es erstmals war,

sich ganz offensichtlich klar.

Doch hört, was mit dem Quax geschehen:

Hung'rig essend, aus Versehen,

wurd der Frosch, der sich geduckt,

als Pudding, Waldmeister, verschluckt.

Der Löffel gibt den Querverweis,

dass die grüne Götterspeis'

von einem Weibsbild eingenommen,

die aus Holland ist gekommen,

denn das süße Japanmädchen

isst, das wissen wir, mit Stäbchen.

55. Im nächsten Kunstwerk, mit Humor,

stellt sich der Frosch gar selber vor.

Joly schreibt: "Der grüne Springer

ist dargestellt als Sumo-Ringer,

der sich, wie er uns ja zeigt,

vor dem Gegner grad' verneigt,

als würd' er sagen, vor dem Streite,

"komm an meine grüne Seite.

Die Presse soll, das ist ihr Recht,

ein Foto knipsen kunstgerecht,"

und er grinst dazu ganz breit.

"Im Daily Mirror, Spiegel, Zeit,

in Tokyo News, in Quick und Bild,

erscheint dann morgen unser Bild.

Vom Foto 'ne Vergrößerung

häng' ich dann als Erinnerung

an meinen Sumo-Ring-Triumpf,

bei mir zu Hause auf, im Sumpf.

Was auf dem Bilde nicht zu sehen

sein wird: Was mit dir geschehen.

Also komm, vor'm letzten Streite,

noch einmal an meine Seite,

bevor ich meine Zähne fletsche

und dich im Ringkampfe zerquetsche."

Wie das Ringen ausgegangen,

und ob das Bild wurd' aufgehangen,

darüber steht im Kampfbericht

bei Joly nur: „Ich weiß es nicht".

Dass Frösche sind nicht abzubringen

in Japan von dem Sumo-Ringen,

zeigt uns das nächste Nets'ke gleich:

56. Zwei Quakse bringen einfallsreich

sich, nach alter Tradition,

in die rechte Position.

Jeder schließlich möcht’ gewinnen.

Ringer und auch Ringerinnen

gibt es in Nippons Inselreich

in großer Zahl. An jedem Teich

ringen lustig sie und kühn.

Freilich sind nicht alle grün.

Was Joly noch uns mitgebracht?

Gama-Sennins, deren acht.

57. Der erste zeigt sich im Porträt;

eine Antiquität.

Zwei Kröten schleppt der Scharlatan

mit sich herum als Untertan.

Der Kröter ist sein Prinzipal.

Die Kröte sie ist illegal.

Wie dem auch sei, uns stört es nicht

und das Judicium-Gericht,

wie bei uns, in Japan schweigt,

so lang der Fall nicht angezeigt.

Lassen wir in Ruh' die drei.

Betrachten jetzt die nächsten zwei.

Das Kunstwerk uns 'nen Kröter zeigt,

58. der seinen Sennin grad' besteigt.

Was er will auf seinem Rücken?

Den armen Mann etwa erdrücken?

Oder spielt der Untertan

in diesem Falle den Galan.

Wir wissen's nicht, doch ahnen wir,

dass Toyomasa hat das Tier

geschnitzt als grünes Unikum

'mal ausnahmsweise anders 'rum.

Was immer sein mag, soll's gescheh'n!

Wir woll'n zum nächsten Sennin geh'n.

Der sitzt vor uns im Nachtgewand,

59. mit der Gama in der Hand.

Es scheint, als triebe er Magie

mit seinem eignen Krötenvieh.

Mit seinem Blicke er fixiert,

das Tier, dass es verwandelt wird,

in eine Geisha, für die Nacht.

Ob das Wunder er vollbracht,

wird nicht belegt. Die Literatur

deutet leider an dies nur.

Und Joly, der ansonst viel schreibt

zu diesem Thema gänzlich schweigt.

Doch seine Nets'ken sagen mehr

als manches Lexikon gibt her.

So zeigt ein Schnitzwerk beispielsweise

das Pärchen auf 'ne Art und Weise

60. die für die Kröte unbequem.

Dem Sennin jedoch scheint's genehm

zu sein, wir seh'n ja wie er lacht.

Doch was in Wirklichkeit er macht,

darüber die Meinungen sehr schwanken.

Und die Legenden, die sich ranken

sind für den Forscher kein Gewinn,

weil sie sind voll Doppelsinn.

Letztendlich fehlt im Mythenkreis

um Kröt' und Sennin der Beweis.

So kann auch ich euch nicht beschreiben

was die beiden wirklich treiben.

Doch weiter nun im Joly-Band.

Ein andrer Sennin, den ich fand,

zeigt sich uns, was unbestritten,

61. eindeutig und zwar beritten.

Auf seiner Kröte reitet er,

auf Bequemlichkeit bedacht umher.

Ich zieh' daraus den weisen Schluss,

Heilige sind schlecht zu Fuß.

Dies hat der Künstler schon erkannt,

der ihn einst schuf, Miwa genannt.

Ein andrer Sennin, auf den Beinen

ist besser noch, so will mir scheinen.

62. Trägt auf dem Kopf, weil's dort nicht stört

das Krötentier, das ihm gehört.

Behält dadurch die Hände frei

für etwas andres nebenbei.

Hält einen Lotos in der Hand,

der als Symbol steht für Verstand,

und als Ursprung für alles Sein,

gilt in Japan allgemein.

Lotos und Kröte sind sowohl

für Auferstehung ein Symbol.

Das scheint auch dem Asketen klar.

Aus diesem Grunde offenbar

trägt er beides mit sich 'rum.

Dies beweist, dass er nicht dumm,

im Gegenteil mit Intellekt

ist angedeutet hier versteckt,

dass er, der seinen Tod wohl ahnt,

ganz schlau sein nächstes Leben plant.

Nach dem Tod, so die Vision,

während der Reinkarnation,

will er in Gama's Körper schlüpfen,

als Krott' durchs nächste Dasein hüpfen.

Ob die Götter nebenan

akzeptierten seinen Plan

wissen wir nicht ganz genau.

Die sind dafür ja viel zu schlau.

Ohne Stellung zu bezieh'n,

unsern Fragen sie entflieh'n.

Während wir im Dunkeln tappen,

nicht recht wissen, wird es klappen

mit der Reinkarnation,

schweigen sie nur monoton.

So lassen wir die Frage offen

und hoffen, hoffen, hoffen.

Während wir auf Klärung hoffen

sind wir andrerseits betroffen

wenn bei Joly im Geschehen

wir die nächste Kröte sehen.

63. Riesengroß wurd' sie geschnitzt.

Der Sennin, der das Tier besitzt

wirkt hässlich neben ihr und klein.

Die Kröte könnt' der andre sein,

der Sennin, der oben besprochen,

gestorben ist vor rund zwei Wochen.

Wir müssen weiter spekulieren,

in der Frage uns verlieren:

Wo steckt in solcherlei Figur

der Sinn und Hintersinn denn nur.

Ist etwa sexuell gemeint

was die beiden hier vereint?

Die Gama ernst, der Sennin lacht,

wir wundern uns darüber

und fragen was der Heil'ge macht.

Verschweigen wir es lieber.

Ob euch alles das gefällt,

was bei Joly dargestellt?

Ich weiß es nicht!

Aus meiner Sicht,

und aus des Frosches Perspektive,

seh' immer nur das Positive.

Zum Beispiel, dass ein alter Kaul

sich eignet bestens auch als Gaul.

In der Behrens-Kollektion

gibt es mehrere davon.

Eine, die noch nicht beschrieben,

wird zum Galoppe angetrieben.

64. Per Faustschlag machte man ihr klar,

dass sie viel zu langsam war.

Die Kröte schmerzten diese Schläge.

Trotzdem blieb sie stur und träge.

Der Sennin schimpft und schlägt und flucht.

Doch was auch immer er versucht,

die Kröte war für Gangart Traben

an diesem Tage nicht zu haben.

Der Reiter, welcher auf ihr hockt,

ist der Verzweiflung nah:

Als die Gama plötzlich bockt:

Was denkt ihr was geschah?

Der Sennin ist im hohen Bogen,

kopfüber in den Sumpf geflogen!

Was er drauf mit der Kröte tat

uns Joly nicht berichtet hat.

Statt dessen taucht bei Henri auf

ein Schildkröter im Dauerlauf.

Auf seinem Panzer listig kauert

65. ein Kappa, das auf Mädchen lauert.

Das Untier hat sich vorgenommen,

eine Jungfrau zu bekommen,

mit dieser dann zum Pfuhl zu fliehen,

um ins Wasser sie zu ziehen.

Was dort geschieht, am großen Teich,

im Kappa-Unterwasserreich,

wissen wir vom Hörensagen:

Gar schlimm soll sich das Tier betragen.

Von den Jungfern, all den frommen,

die das Kappa schon entführt,

ist keine heil zurückgekommen

und auch nicht unberührt.

Jedoch, das Kappa bei der Tat,

keiner je gesehen hat.

Weil dem so ist, wie grad' beschrieben,

lässt manches sich aufs Kappa schieben.

Wohl dem, der's glaubt, ein solcher Mann

ist besser noch wie's Kappa dran.

Ach Kappa, wie bist du gemein,

ach könnt ich nur ein Kappa sein,

so denk ich; doch dann träum ich aus:

In Deutschland hier wird wohl nichts draus.

Bei Henri Joly gibt's noch mehr

von dem hier zu berichten wär.

Doch nicht jeder Frosch, den man begehrt,

ist unbedingt auch sehenswert,

so denke ich, mit viel Humor

und stell' euch jetzt den letzten vor.

Viertausend-Siebenhundert-Sieben,

dort ist dieser Frosch beschrieben.

66. "Playful frog, but not a Sennin".

Ich bin sicher ihr erkennt ihn.

Es ist der Grüne aus dem Teich,

der gleich rechts im Nippon-Reich

liegt um die Ecke irgendwo,

ganz in der Näh' von Tokyo.

Und dass der sonderbare Mann

niemals ein Heiliger sein kann,

das sehen wir am Lotosstil,

der selbst dem Frosche nicht gefiel.

Viel zu dick und viel zu lang

für das Yin ist er als Yang.

Und des Meisters Kopf, abnorm,

besonders oben 'rum die Form.

In Japan war das niemals Mode,

doch in China, Phall'-Periode.

Jonas F.

Nachdem wir Joly's Buch gelesen,

das endete bei den Chinesen,

folgt nach Jol.., wenn man's versteht,

Jonas F. im Alphabet.

Gleich vorne an, auf Tafel dreißig,

67. ein Sennin in 'nem Hemd aus Reisig,

der mit der ganzen Dienerschaft,

wie wir seh'n auf Wanderschaft.

Der Kürbis der Nekromantie

hängt seiner Kröte vis a vis

am Obi, den man kaum entdeckt,

weil unter Blättern er versteckt.

Der Heilige ,hier alt und greise,

ist auf der letzten Pilgerreise.

Er will bis ins Nirwana gehen

um dort sich einmal umzusehen.

Zwei Kröten nimmt sich der Schlawiner

mit, wissend, dass man gute Diener

mit Umgangsform und mit Niveau,

bekommen kann dort nirgendwo.

Er möcht’ ja nicht da oben hocken

um ganz alleine zu frohlocken.

Er braucht auch in der Ewigkeit,

damit schneller vergeht die Zeit,

für's tägliche Pläsierchen

seine Krötentierchen.

Ob die drei sind angekommen,

ob sie 'nen guten Platz bekommen,

was sie treiben immerfort,

drüben in dem stillen Ort,

ob feuchtfröhlich oder trocken

sie als Trio nun frohlocken,

oder ob, weil nichts konkret

dort, alles auf die Nerven geht?

Wir wissen's nicht, wir ahnen's nur,

den keiner jemals kam retour.

Weil die Götter 's nicht gestatten,

dass einer zum Bericht erstatten

kommt, sind wir drauf angewiesen

zu glauben, eben diesen.

Während der Sennin und die Kröten

das Nirwana-Liedchen flöten

in den himmlischen Gefilden

führt F. Jonas uns zum wilden

68. Kappa, das 'nem Fischer unverhohlen

den Fisch samt Reuse hat gestohlen.

Hämisch grinsend der Verruchte

im nahen Schilfe Zuflucht suchte.

Während dem Fischer "Petri Heil",

als Abschiedsgruß wird noch zuteil,

taucht das Kappa in das Rohr

und kommt so schnell nicht mehr hervor.

Den Petri-Jünger das kaum stört

weil es zum Fischfang auch gehört,

dass ein Fischlein das gefischt,

ab und zu einmal entwischt.

So mancher frisch gefang'ne Hecht

wurd stibitzt, wenn er nicht echt

war von dem Kappa-Tier,

aus des Anglers Fisch-Revier.

Manch Angler hat darauf vertraut,

dass rechtzeitig sein Fang geklaut

wurd' vom Kappa insgeheim.

So spricht der Angler in Latein.

Wenn zu Haus' dann seine Lieben,

mangels Frischfisch Hunger schieben,

erzählt der Fischer, stolz am Tisch,

von dem Riesen -Karpfen-Fisch,

den er hatte ungelogen

heute aus dem See gezogen.

Und wie sollt es anders sein,

das böse Kappa, so gemein,

hat den Fisch mitsamt der Haut

aus dem Reusenkorb geklaut.

Vom Angelsport zurück zum Lurch

der ein Frosch ist durch und durch.

69. Ono no Tofu auf dem Ast,

seh'n wir ihn ganz ohne Hast

am Teich, fernab vom Weltgeschehen,

gemütlich, froh spazieren gehen.

Was Hidemasa einst geschaffen,

wir bei Jonas jetzt begaffen.

Suchen Sinn und Widersinn,

der in dem Netsuke drin'

stecken muss, ganz zweifelsfrei.

Wir fragen uns gar mancherlei.

Doch die Elfenbeinfigur,

schweigt zu unser’n Fragen stur.

Der Frosch hält seine Gosche stumm.

Das nehmen wir dem Frosche krumm.

Auch No Tofu will nicht sagen

warum vom Frosche er sich tragen

lässt; will er etwa testen hier

ob geduldig ist das Tier,

eignet sich zum Kalligraph.

Ob der Frosch ihn übertraf,

in Sachen saubre schöne Schrift,

bei Jonas nicht zu finden ist.

Wir wollen ihm das nicht verübeln

und nicht länger weitergrübeln.

So lasst uns die Figuren tauschen

uns das Kappa jetzt belauschen.

70. Auf der Venus-Muschel hier,

von Mizau geschnitzt,

sitzt das geile, böse Tier,

von der Muschel abgeblitzt.

Es deutet uns symbolisch an,

dass man nicht alles haben kann,

was man sich wünscht im Leben.

So ist es leider, eben.

Als er wollte mit Geschmachte,

grad hinein ins Eingemachte,

wurde er dabei ertappt.

Die Muschel, als sie zugeschnappt,

hat, was im Bilde nicht zu sehen,

eingeklemmt die Kappa-Zehen.

Nun sitzt er fest und ist gefangen

und langsam schwindet sein Verlangen.

"O-Kappa, lernst du es denn nie",

rufen wir voll Ironie

dem Frosch-Schildkröten-Wesen zu:

"Lass die Muschel doch in Ruh".

Damit wär'n wir bei Jonas durch.

Zwar gibt es dort noch manchen Lurch,

doch Ähnliches im Nets'ke-Brauch

findet sich bei Kinsey auch.

Doch erst 'mal im Zusammenhang,

da es erscheint mir von Belang,

'ne Story die erzählenswert.

Die Mähr vom Kappa und dem Pferd.

Und an diese schließt noch an

der Kappa und Rikischa-Mann.



Der Kappa und das Pferd

In einem Fuhrbetrieb arbeitete ein Knecht, der war ein Narr, aber auch ein Pferdenarr. Eines Tages schickte ihn sein Meister aus und sagte: "Geh auf den Berg und schneide ein Fuder Gras." Der Knecht befestigte die Sichel am Sattel und machte sich auf den Weg, aber er ging in die falsche Richtung, zum Fluss statt zum Berg, und kam ans Ufer des Miyamaebeckens. Dort gab es einen Pferdestand und auch ein wenig Gras.

Der Mann band das Pferd an einen Weidestamm und setzte sich, um einen Augenblick zu verschnaufen. Weil er aber jede Nacht heimlich zu den Mägden schlich, wurde er im Sitzen schläfrig, und schon lag er mit ausgestreckten Armen und Beinen da und schlief fest.

71. In der Tiefe des Miyamae wohnte seit alter Zeit ein Kappa. Wenn Kinder oder Erwachsene hier badeten, nagte er ihnen gern' den After aus. Als er den Knecht mit dem Pferd entdeckte, kroch er sachte aus dem Wasser und betrachtete abwägend den Schlafenden und das ange­bundene Tier. Weil der Hinterausgang eines Pferdes größer ist als der menschliche, kam er zu dem Schluss, dass das Pferd die reichlichere Mahlzeit ausgäbe, band sich den Halfter um den Leib und zog das Tier langsam in den Fluss. Es folgte ihm ahnungslos, doch als es mit den Beinen ins Wasser kam und schließlich sein Körper bis zum Hals einsank, scheute es plötz­lich, ergriff die Flucht aufs feste Land und rannte in gestrecktem Galopp nach Hause.

Am Ende des Handstrickes hing ein merkwürdiges schwarzes Biest. Als er sich's näher be­sah, war es doch tatsächlich ein Kappa. Erschrocken rief der Fuhrmeister: "Das ist sicher der Kerl, der schon vielen Leuten den Hintern ausgenagt hat!" Er, nahm ein Packseil und fesselte den Kappa an die Scheunen­treppe.

Endlich kam der Knecht heim und sagte. "Herr Meister, das Ross ist fort, ich weiß nicht wo­hin, ist es vielleicht etwa nach Hause gekommen?" - "Was heißt da „vielleicht etwa nach Hause gekommen“, du Faulpelz, beinah von einem Kappa aufgefressen worden wäre es. Schau her!" schimpfte der Meister und zeigte ihm den Kappa. Der Knecht stand mit offenem Mund da.

Der gefesselte Kappa weinte und heulte erbärmlich. Als es Nacht wurde, kam eine Frau mit einer Laterne an die Haustüre und sagte: "Scheint's ihr habt einen Kappa gefangen. Bitte seid so gut und verkauft ihn mir, ich möchte ein Rheumamittel daraus machen." Der Fuhrmeister trat aus dem Haus; weil er die Frau aber noch nie in der Gegend gesehen hatte, kam sie ihm verdächtig vor. Er passte eine günstige Gelegenheit ab und gab ihr einen Schubs. Sie fiel hin, rollte kollernd weg und wurde dabei zu einem Kappa. Es war das Weibchen des gefangenen Kappa, das sich in eine Menschenfrau verwandelt hatte und hergekommen war, um seinen Ehemann zu retten. Solange ein Kappa in der Delle auf seinem Kopf Wasser trägt, hat er nämlich die Kraft, sich zu verwandeln und die Menschen zu täuschen. Aber beim Hinfallen war das Wasser verschüttet worden und die wahre Gestalt zum Vorschein gekommen. Der Meister band nun auch das Kappaweibchen an der Treppe fest.

De beiden Kappa heulten die ganze Nacht hindurch. Als am nächsten Morgen der Meister zu ihnen herauskam, flehten sie ihn mit gefalteten Händen an: "Bitte strafe uns nicht, wir werden von nun an ganz gewiss weder Mensch noch Pferde hinten ausnagen." Sie taten dem Meister leid, und er sagte: "Tut aber von nun an wirklich nichts Böses mehr, sonst geht es euch das nächste Mal an den Kragen!" Er löste die Stricke und ließ sie frei. Sie verneigten sich zum Gruß, dankten und kehrten heim.

Von da an ließ sich im Becken des Flusses Miyamae kein Kappa mehr blicken, und man konnte ohne Gefahr die Pferde schwemmen und die Kinder baden lassen.( Volkserzählung (um 1920) Quelle: Lewinsky-Sträuli ).

Kappa und Jinrikischa-Mann

In der Nähe von Yokohama hatte unlängst einer der Jinrikischa-Läufer, deren Gewerbe es ist, ein leichtes Wägelchen zu ziehen und damit Leute für Geld zu fahren, ein sonderbares Aben­teuer. Er fuhr mit leerem Gefährt im Schritt am Ufer dahin und sah sich genötigt, einen sehr beschwerlichen Umweg um eine der Buchten zu machen, in welche das Meer zur Flutzeit hin ansteigt, die aber zur Zeit der Ebbe mit schmutzigen, weichem Schlamm bedeckt sind. Sehr ärgerlich, schalt er auf das hässliche Gewässer und gab seiner Missachtung in etwas star­ken Worten Ausdruck. Da hörte er plötzlich in dem Schlamme ein Plätschern und ein Grunzen, das ganz zornig klang. Er achtete nicht weiter darauf, wurde jedoch nach einiger Zeit sehr unliebsam an diesen Vorfall erinnert. Er fuhr an derselben Stelle eine Frau aus dem Volke und trabte wohlgemut mit seiner leichten Last dahin, als er plötzlich einen heftigen Ruck fühlte; sein Jinrikischa flog hoch in die Luft und die Frau, welche darin saß, ward in den Schlamm der Bucht geschleudert, die zum Glück, da es Ebbe war, kein Wasser hatte. Der Jinrikischa-Mann hielt sich mit Aufgebot aller seiner Kraft aufrecht; es hätte nicht viel ge­fehlt, so wäre er ebenfalls in den Pfuhl geschleudert. Obwohl verdutzt, trat er rasch an den Rand des Weges und zog mit großer Anstrengung die Frau wieder herauf, so dass dieselbe, wiewohl arg beschmutzt, doch noch mit dem Schrecken davon kam. Während dessen aber sah der Jinrikischa-Mann, wie ein Kappa zähnefletschend und hohnlachend seinen Kopf aus dem Schlammpfuhl erhob; nun erinnerte er sich sogleich jener früheren Begebenheit und wusste, dass der Kappa, welcher dieses Gewässer bewohnte, ihm seine verachtungsvollen Worte übel genommen und sich für dieselben hatte rächen wollen. Froh, noch ohne ernstlichen Schaden der Gefahr entronnen zu sein, vermied er seitdem mit großer Sorgfalt die verhängnisvolle Stelle. ( Brauns Japanische Märchen und Sagen Seite 403

Keine Kommentare: