Samstag, 15. September 2007

Vers- und Bildteil 2

Vers- und Bildteil 2


Masanao

Die Fabel, die uns just geschildert,

hat Masa-nao uns bebildert.

1. Wir sehen wie die beiden Protzen

sich aufrichten gerad' zum Glotzen.

Doch beide, was sie sehen wollten,

aus Dummheit sie nicht sehen sollten.

Sie schauten hin woher sie kamen

weil allzu dumm sie sich benahmen.

Masa-nao hat das sehr geschickt,

in seinem Schnitzwerk ausgedrückt.

Die Sandale, wenn zerschlissen

kündet Armut, wie wir wissen.

Und das Netsuke beweist:

Die Frösche waren arm an Geist.

Da wir bei Masa-nao sind

erzähl' ich was schon jedes Kind

rund Kyoto in Japan weiß.

Dass der Mann von großem Fleiß

und schöpferischen Geiste war.

Er schnitzte manches Exemplar

von Frosch und Kröte, uns zur Gunst,

und auch zur Ehr' der Holzschnitzkunst.

Was ihn zu schnitzen einst bewog

2. den Frosch auf diesem Brunnentrog,

auf einem Holzeimer, der leer?

"Was weiß der Brunnenfrosch vom Meer?"

Dieses Sprichwort liegt als Sinn

in Masa-nao's Nets'ke drin.

Im nächsten Werk vom gleichen Meister

zeigt sich ein Kröter ein gar dreister.

3. Schmiegt sich mit seinem ganzen Charme

kuschelig in Sennins Arm.

Was es dort will das Krötentier

verrät es nicht als Kavalier.

Wie wir erstaunt nun alle sehen,

sind wir mitten im Geschehen.

Drum will ich hier noch schnell probieren

das Ganze etwas zu sortieren.

Am besten ist, wir gehen vor

der Reihe nach, und nach Autor.

Aichele/Nagel

Nach dieser Gangart wären dann

schon Aichele und Nagel dran.

Dort blättern wir und finden gleich

ein Netsuke, recht einfallsreich

geschnitzt vollplastisch, Katabori,

drei Bilder einschließlich der Story.

4. Vor uns sitzt, mit rundem Bauch

im Blättercape, so wie es Brauch,

der Heilige, mit Pfirsichfrucht

und seiner Kröte, die versucht

ihn ein wenig grad zu necken,

den Finger in sein Ohr zu stecken.

Dem Sennin scheint das zu gefallen,

denn sametweich sind ihre Krallen.

Wenn das Netsuke umgedreht,

5. wird deutlich, dass die Kröte steht

nur auf dem rechten Hinterlauf.

Sie lahmt, doch das nimmt sie in Kauf

weil ihr Freund sie akzeptiert.

Kunststück, er hat's amputiert.

Durchs Blättercape seh'n wir dann noch

hinein ins Himotoshi-Loch.

Wohin der dunkle Trichter führt

hab' ich auch noch aufgespürt.

Ich konnt' dazu die zwei bewegen

6. sich auf den Rücken 'mal zu legen,

und siehe da, in dieser Lage

der Tunnelausgang kam zu Tage.

Bei Aichele, auf einem Blatt,

vier Gama-Sennin's, wir sind platt.

7. Der erste im Kimono-Rock

ist älter schon und geht am Stock.

Barfuss er plötzlich vor mir stand

als ich ihn im Buche fand;

die Kröte schleppend, welche Last?

Doch der Alte trug's gefasst.

Und als ich ihn danach dann fragte:

"Wohin des Wegs"? Er lachend sagte:

"Ich will bis rein nach Tokyo laufen,

mir endlich 'nen Toyota kaufen,

denn zu Fuß in dieser Zeit,

kommt man heute nicht mehr weit."

8. Der andre Koshin, in Sandalen,

ist mir auch gleich aufgefallen.

Er blickte auf, als ich ihn rief,

legte seinen Kopf kurz schief.

"Nein, nein, nach Tokyo will ich nicht.

Ich muss nach Nagasaki,

denn meine Kröte ist erpicht

auf eine Kawasaki."

9. Der dritte; der aus Elfenbein,

stand vor mir auf nur einem Bein.

Gekonnt geschnitzt und ausgewogen,

mit der Kröte ungezogen,

auf der Schulter völlig nackt,

übten sie Balanceakt.

Ich hab' die beiden Gleichgesinnten

10. betrachtet mir auch noch von hinten.

Selbst so bracht' ich das Pärchen nicht

aus Ruhe und dem Gleichgewicht.

Im Gegenteil, ganz ungezwungen

zeigten sie wie gut gelungen

bei diesem Nets'ke-Exemplar

der Himotoshitunnel war.

Der letzte Gama Sennin nun

11. scheint auf der Kröte auszuruh'n.

Doch täuscht, wie oft, auch hier der Schein.

Die Wirklichkeit sollt' anders sein.

Diese Elfenbeinfigur

ist von mystischer Natur.

Nur der eingeweihte Taoist

weiß um den Zauber und die List,

mit welcher man die Kröte bindet

damit sie Zuneigung empfindet.

Lange musst' ich recherchieren,

manch’ okkultes Buch studieren,

bis ich im Kamasutra fand,

das was dieses Paar verband.

Als Formel steht dort aufgeschrieben:

"Ält're Männer, wenn sie lieben

wollen aber nicht recht können,

sollen sich das ruhig 'mal gönnen“.

Das Mittel hält er in der Faust,

der Sennin; gleich wird es verschmaust.

Und die Kröte lauert schon,

denn sie bekommt 'was ab davon,

wenn der Sennin zwecks der Liebe,

speist die Espanola-Fliege.

Bei Aichele, das letzte Bild

12. zeigt einen Kappa, wüst und wild,

der auf Froschjagd ausgegangen,

nun im Lotos sitzt gefangen.

Verspottet und vom Frosch verlacht,

denn er hatte nicht bedacht

was ein Kappa sollt' bedenken,

rechtzeitig sich einzuschränken.

Verschwendet hat er seine Kraft.

Verschüttet wurd' der edle Saft,

den als Lebenselixier

speichert solch ein Kappa-Tier

in einer Mulde auf dem Kopf.

Die ist nun leer. Der arme Tropf,

als er das Fröschlein wollt' sich schnappen,

ließ die Flüssigkeit verschwappen.

Nun muss er all die Schmach erdulden,

wartend bis sich in der Mulden

sammelt wieder etwas Saft

und zurückkehrt seine Kraft.

Die Lehre die wir daraus zieh'n.

Die Kraft, die unser eins verlieh'n

ist kostbar, d'rum für Froschjagdfreuden

sollte man sie nicht vergeuden.

Arakawa

Nach Nagel/Aichele im Nu

folgt Arakawa Hirokazu.

Der mit Schwung und Ambition

vorstellt die Go-Kollektion.

Präsentiert nicht anderswo,

wird sie in Japan, Tokyo.

Im National-Museum dort

gilt sie als Netsuke-Hort.

13. Bereits das erste Exemplar

von einem Sennin macht uns klar,

warum so wertvoll dieses Stück.

300 Jahre führt zurück

uns der Asket mit seiner Kröte,

dort im Land der Morgenröte.

Der Sennin und auch was er hält,

ist bunt bemalt. Wem es gefällt,

der kann ja nach dem Preis 'mal fragen.

Ich kann dazu von hier aus sagen:

"Wer das alte Stück besitzen

will, der muss es sich stibitzen,

denn käuflich sind so alte Knaben

auch für Geldleut' nicht zu haben."

14. Von gleicher Machart, selber Stil

zeigt sich das nächste Paar skurril.

Die Kröte, voller Eleganz,

führt den Ko-Sensei zum Tanz.

Sie reicht dem Sennin bis zum Bauch

und tritt ihm auf die Zehen.

Solches gibt’s bei Menschen auch,

das kann schon ‘mal geschehen..

Könnten wir die beiden fragen

was beim Tanze sie empfunden,

würden sie uns sicher sagen:

"Ja, das waren schöne Stunden".

Doch die Zeit, nach altem Brauch,

läuft in Japan weiter auch.

Inzwischen sind die beiden alt.

350 Jahre bald.

Und immer noch spiegelt ihr Holz

wider den Besitzerstolz

des Eigners, wohl ein reicher Mann,

obgleich er's nicht mehr tragen kann.

In der Vitrine nebenan

man ein Paar bewundern kann.

15. Sie scheinen sich zu unterhalten

wie den Abend sie gestalten.

Wenn wir auf die Kröte achten

und ihr rechtes Bein betrachten,

wird uns die Antwort vorgegeben.

Frau Gama will etwas erleben.

Sie möcht’ beim heil'gen Manne landen...

Und dieser scheint schon einverstanden.

Wie den Abend sie verbrachten,

und was die beiden alles machten

und was sie sonst noch alles trieben,

hat niemand für uns aufgeschrieben.

Die nächste Nets'ke-Rarität,

geschnitzt in Virtuosität,

ein echtes Meisterhandprodukt,

bei Arakawa abgedruckt,

16. zeigt drei Sennins bei 'nem Spiel

das offenbar ihnen gefiel.

Sie bringen einer Kröte bei

auf einem Pferd, die Reiterei.*12

Das Ross, das weiße, wundervolle,

entsprang aus jener Bücherrolle,

die vor den dreien aufgeschlagen

enthält in Japan Mähr und Sagen.

Die Kröte, das ist uns längst klar,

des Gama-Sennins Liebling war.

Dieser bremst das Ross am Schwanze,

dass nicht zu rasant das ganze

Reiterspiel von statten geht,

und nicht die Gefahr besteht,

dass sie allzu viel riskieren,

am Ende sich vergaloppieren.

Doch zurück zur Bücherrolle.

Aus ihr stammt jenes wundervolle

Märchen, das es angetan

hat in Japan jedermann.

Dort verfolgen wir ihn weiter

nun den grünen Reiter.



Der Froschreiter

Es lebte einmal ein armes Ehepaar im Hochgebirge, weit, weit entlegen. Sie bestellten ihr dürres Land, das am Berghang lag, mit Kartoffeln und Chingko (einer Art Gerste). Ihr Leben war mühsam und hart. Sie wurden älter und ihre Kräfte nahmen langsam ab; beide sehnten sich nach einem Kind. Sie sprachen zueinander: "Wie schön wäre es, ein Kind zu haben. Wenn wir dann alt sind, hätten wir jemand, der unser Land pflügt, der die uns auferlegte Ar­beit für den Chungpon (Hofbeamter, der die Steuern eintreibt) tut und unser Feuerholz hackt. Dann könnten wir zwei, wenn wir sehr alt sind, doch unsere krummen Rücken eine Weile am eigenen Feuerplatz ausruhen."

So beteten die beiden inständig zum Gott der Berge und Flüsse. Und bald wusste die Frau, dass sie ein Kind haben würde. Sieben Monate später gebar sie, aber sie gebar eine Frosch mit dicken hervorquellenden Augen, kein menschliches Baby. Der Mann sagte: "Was ist das für ein seltsames Wesen! Das ist kein Baby, sondern ein Frosch mit hervorquellenden Augen. Komm, wir werfen ihn hinaus." Die Frau hatte nicht das Herz, so etwas zu tun, sie erwiderte: "Gott hat uns nicht erhört. Er gab uns einen Frosch statt eines Kindes. Aber jedenfalls wurde uns der Frosch geboren, deshalb wollen wir ihn auch nicht hinauswerfen. Frösche wohnen am liebsten im Schlamm. Tu ihn in den Teich hinter un­serem Haus und lass ihn dort leben."

Der alte Mann nahm den Frosch hoch, um ihn wegzutragen, da sprach der Frosch: "Vater und Mutter, bitte tut mich nicht in den Tümpel. Ich wurde von einem Menschen geboren, so lasst mich auch mit Menschen aufwachsen. Wenn ich erwachsen bin, will ich unser Land und das Leben der Armen verändern." Der alte Mann erschrak und rief: "Frau, was für ein son­derbares Wesen! Es spricht wie ein Mensch!"

"Aber was es sagte; war gut", erwiderte die Frau. "Es ist höchste Zeit, dass sich die Dinge für uns arme Leute ändern; denn so kann es nicht weitergehen. Es kann kein gewöhnlicher Frosch sein, wenn er sprechen kann. Lass ihn bei uns bleiben." Sie waren gutherzige Leute und der Frosch lebte bei ihnen, als wäre er wirklich ihr Kind.

Drei Jahre vergingen, und der Frosch sah, wie hart und unermüdlich die zwei Alten täglich arbeiteten. Da sagte er eines Tages zu der alten Frau: "Mutter, mach mir einen Brotfladen aus groben Mehl und tu ihn für mich in einen Beutel. Ich werde morgen zu dem Chungpon gehen, der am Ende des Tales in der Burg mit den sieben steinernen Türmen wohnt, ich will ihn um die Hand seiner Töchter bitten. Er hat drei schöne Töchter. Ich will die heiraten, die ein gutes Herz hat und tüchtig ist, und werde sie heimbringen, damit sie euch bei eurer täglichen Arbeit hilft." - "Lieber Sohn, mach nicht solche Scherze", sagte die alte Frau. "Als ob jemand seine Tochter solch einem kleinen und hässlichen Wesen wie dir zur Frau gäbe! Einem bloßen Frosch, den man ohne es zu merken zertreten kann!" - "Mach mir den Brotfladen, Mutter"; sagte der Frosch. "Er wird schon einverstanden sein."

Schließlich willigte die alte Frau ein. "Nun gut, ich werde ihn für dich machen", sagte sie. "Aber was ist, wenn seine Leute bei deinem Anblick Asche auf deinen Kopf streuen, so wie sie es mit Ungeheuern tun?" "Nein, Mutter", sagte der Frosch, "das werden sie nicht wa­gen." Und so machte die alte Frau am nächsten Morgen eine dicken Brotfladen aus groben Mehl und tat ihn in einen Beutel. Der Frosch hing den Beutel auf seinen Rücken und hüpfte talwärts zur Burg des Chungpon mit den steinernen Türmen. Als er zum Tor kam, rief der Frosch: "O Chungpon, Chungpon, öffne das Tor." Der Chungpon hörte jemand rufen und schickte seinen Diener, um nachzusehen, wer da war. Der Diener kam zurück, er sah über­rascht aus. "Wie seltsam! Es ist nichts als ein Frosch, Herr, ein sehr kleiner Frosch, der am Tor ruft."

Der Verwalter des Chungpon sagte mit einer Stimme, die immer weiß was zu tun ist: "Chungpon, das muss ein Ungeheuer sein. Lass uns Asche auf ihn werfen." Der Chungpon war nicht einverstanden. "Nein, warte einen Moment. Es muss kein Ungeheuer sein", sagte er. "Frösche leben gewöhnlich im Wasser. Mag sein, dass er mit einer Botschaft aus dem Palast des Drachenkönigs kommt. Besprenge ihn mit Milch, wie du es bei einem Gott tun würdest, und dann will ich ihn selber sehen." Seine Diener taten, wie ihnen befohlen und gaben dem Frosch einen Empfang, als wäre er ein Gott. Sie besprengten ihn mit Milch und sprühten auch etwas Milch in die Luft.

Dann ging der Chungpon selbst zum Tor und fragte: "Kleiner Frosch, kommst du aus dem Palast des Drachenkönigs? Was wünscht du?" - "Ich komme nicht vom Drachenkönig", ant­wortete der Frosch. "Ich komme aus eigenem Entschluss, weil deine drei Töchter alle das Heiratsalter erreicht haben und ich eine mir zur Frau wünsche. Ich komme als Freier. Gib mir bitte deine Zustimmung, dass ich eine von ihnen heirate." Der Chungpon und seine Diener er­schraken, und der Chungpon sagte: "Du sprichst Unsinn, Frosch! Du bist so klein und hässlich, wie sollst du zu meiner Tochter passen? Schon manch hoher Chungpon hat um die Hand ei­ner meiner Töchter angehalten und ich habe sie ihm verweigert. Und nun soll ich eine meiner Töchter einem Frosch geben? Du bist verrückt" - "Oho! Das heißt, du bist also nicht einver­standen", sagte der Frosch. "Na schön. Wenn du deine Zustimmung nicht gibst, werde ich la­chen." Der Chungpon wurde wütend, als er das hörte. "Frosch, du bist verrückt. Wenn du la­chen willst, fang an."

Da begann der Frosch zu lachen. Sein Gelächter war zehnmal, nein hundertmal lauter als ein ganzer Teich voll Frösche in der Nacht. Als er lachte erbebte die Erde. Die hohen Türme von Chungpons Burg zitterten, als würden sie zusammenbrechen. Risse zeigten sich in den Mau­ern. Steinchen und Staub tanzten durch die Luft, und Himmel und Sonne verdunkelten sich. Die Familie des Chungpon und seine Diener rannten hin und her in dem großen Haus, stießen aneinander und wussten nicht, was sie tun sollten. Manche trugen sogar Möbelstücke auf ih­rem Kopf, als ob dies das Unglück abwehren würde. In seiner Verzweiflung steckte der Chungpon den Kopf aus dem Fenster und bat den Frosch: "Bitte lach nicht mehr, Fröschlein, sonst werden wir alle erschlagen. Ich will meiner ältesten Tochter sagen, sie soll mit dir ge­hen und deine Frau werden." Der Frosch hörte mit dem Gelächter auf. Allmählich beruhigte sich die Erde und die Burg wurde wieder fest.

Es war Angst, die den Chungpon dazu trieb, seine älteste Tochter dem Frosch zu geben. Er befahl seinen Dienern, zwei Pferde heranzuschaffen; eines als ihr Reitpferd und das andere, um ihren Brautschatz zu tragen. Die älteste Tochter war gar nicht damit einverstanden, einen Frosch zu heiraten. Als sie das Pferd bestieg, bemerkte sie zwei kleine Mühlsteine unter der Dachrinne; heimlich nahm sie den oberen Mühlstein und verbarg ihn in ihrer Bluse. Der Frosch hüpfte voran, um den Weg zu zeigen, und die älteste Tochter folgte zu Pferd. Die ganze Zeit spornte sie das Pferd an, schneller zu laufen, da sie hoffte, den Frosch einzuholen und ihn mit den Pferdehufen zu töten. Aber der Frosch hüpfte einmal nach links, einmal nach rechts, so dass es ihr nicht gelang. Schließlich wurde sie so ungeduldig, dass sie, als sie ganz nah am Frosch war, plötzlich den Mühlstein aus der Bluse riss und ihn auf den hüpfenden Frosch warf; dann wendete sie ihr Pferd, um nach Hause zu galoppieren.

Sie war kaum ein Stück geritten, als der Frosch rief: "Halt, Mädchen! Ich habe dir etwas zu sagen." Sie drehte sich um und sah den Frosch, von dem sie doch hoffte, sie hätte ihn zer­schmettert. Durch das Loch in der Mitte des Mühlsteins war er entkommen. Sie schrak zu­sammen und hielt ihr Pferd zurück. Der Frosch sprach zu ihr: "Wir sind nicht füreinander bestimmt. Geh nach Hause, denn das ist es doch, was du wünscht." Und er nahm das Pferd beim Zügel und führte sie zurück.

Als sie ihres Vaters Burg erreicht hatten, sagte der Frosch zu dem Chungpon: "Wir passen nicht zueinander, deshalb habe ich sie zurückgebracht. Gib mir eine andere von deinen Töchtern, die besser zu mir passt." - "Was für ein eingebildeter Frosch du bist - du kennst nicht deinen Platz!" schrie der Chungpon wütend. "Da du mir meine Tochter zurückbringst, will ich dir auch keine andere geben. Was soll ich, ein Chungpon, es zulassen, dass du unter mei­nen Töchtern jede beliebige aussuchst?" Er zitterte vor Zorn. "Ich nehme an, du bist also nicht einverstanden", sagte der Frosch. Na schön, wenn du nicht zustimmst, werde ich schreien." Der Chungpon dachte für sich, es wird wohl nichts ausmachen, wenn er schreit; es wird nicht so gefährlich sein wie sein Gelächter. So sagte er schlechtgelaunt: "Also schrei. Niemand wird sich vor deinem Schreien fürchten."

Da schrie der Frosch. Sein Schreien klang wie Sturzregen in einer Sommernacht. Als er an­fing, verdunkelte sich der Himmel. Donner rollte ringsum und Wasserfluten strömten die Berge hinab. Schnell wurde des Land in Seen verwandelt; die Wasser stiegen und umfluteten die Burg und die steinernen Türme. Der Chungpon und sein Gefolge stiegen auf das flache Dach und drängten sich aneinander. Das Wasser war schon bis zum Geländer gestiegen. Der Chungpon musste seinen Hals weit herüber recken, als er zum Frosch hinunter schrie: "Hör auf mit dem Schreien, Frosch, sonst kommen wir alle um. Ich will dir meine zweite Tochter ge­ben."

Der Frosch hörte sofort mit dem Schreien auf und die Wasser sanken langsam zurück. Der Chungpon gab wieder Befehl, zwei Pferde heranzuführen - das eine für seine Tochter und das andere, um den Brautschatz zu tragen; und er bat seine zweite Tochter, mit dem Frosch zu gehen. Die zweite Tochter war ebenfalls nicht gewillt zu gehen. Sie nahm den anderen Mühlstein, als sie das Pferd bestieg, und verbarg ihn in ihrer Bluse. Unterwegs versuchte auch sie, den Frosch von ihrem Pferd zertrampeln zu lassen. Und auch sie schleuderte den Mühl­stein und wandte sich um zum Heimritt. Aber der Frosch rief hinter ihr her: "Mädchen, wir sind nicht füreinander bestimmt", sagte er. "Du kannst heimgehen." Und er nahm das Pferd beim Zügel und führte sie zurück.

Der Frosch gab die zweite Tochter dem Chungpon zurück und bat ihn um die Hand der Jüngsten. Diesmal war der Chungpon außer sich vor Zorn. Er sagte mit fast erstickter Stim­me: "Du gibst mir meine älteste Tochter zurück und ich gebe dir meine zweite. Du gibst auch sie zurück und nun willst du meine dritte Tochter. Du bist wirklich wahnsinnig. Kein Chung­pon in der ganzen Welt könnte sich das gefallen lassen. Du...du.... du hast wirklich keinen Respekt vor Recht und Ordnung." Er war von Wut so überwältigt, dass ihm die Worte im Hals stecken blieben und er nichts mehr sagen konnte. Niemals, so empfand er, hatte einer so­viel durchmachen müssen wie er jetzt. Der Frosch gab ganz ruhig zurück: "Warum wirst du so zornig, Chungpon? Deine zwei ältesten Töchter wollten nicht mit mir gehen, deshalb schickte ich sie zurück. Aber deine dritte Tochter will. Warum also soll sie nicht mit mir kommen?" - "Nein, nein, nein!" sagte der Chungpon mit hasserfüllter Stimme. "Kein Mädchen will einen Frosch heiraten. Ich habe dir zum letzten Mal deinen Willen gelassen." - "Du verweigerst deine Zustimmung also?" sagte der Frosch. "Wenn du mir meinen Wunsch nicht gewährst, werde ich springen." Der Chungpon erschrak zutiefst, aber der Zorn überwältigte ihn so, dass er schrie: "Du kannst springen wie du willst. Ich will nicht länger ein Chungpon sein, wenn ich dein Springen fürchte."

Da sprang der Frosch. Als er sprang, erbebte die Erde, hob und senkte sich wie eine Welle in stürmischer See. Die Berge ringsum wankten so stark, dass einer gegen den anderen stieß, und Felsgestein und Sand in den Himmel flogen, dass die Sonne sich verdunkelte. Auch die Mauern und Türme von Chungpons Burg wankten so sehr, dass es schien, als fielen sie jeden Augenblick zusammen. Da blieb dem Chungpon nichts übrig, als sich in all dem Staub zu er­heben und zu versprechen, ihm die Hand seiner dritten Tochter zu geben. Der Frosch hörte augenblicklich auf zu springen. Erde und Berge kamen wieder zur Ruhe. Der Chungpon war gezwungen, nun auch seine dritte Tochter fortzuschicken, mit ihrem Pferd und einem zweiten dabei, das den Brautschatz trug.

Die dritte Tochter hatte, anders als ihre Schwestern, ein gutes Herz. Sie dachte, dass der Frosch sehr klug sein müsste und willigte ein, mit ihm mitzugehen. Da nahm der Frosch sie mit nach Hause. Seine Mutter war erstaunt, als sie beide an der Tür empfing. Denk nur, mein kleines hässliches Kind hat solch eine schöne Frau bekommen, dachte sie. Das Mädchen war voller Fleiß und ging täglich mit der Mutter aufs Feld arbeiten. Dafür liebte die alte Frau sie sehr und wurde auch von der jungen hochgeachtet. Die Mutter war sehr glücklich

Es wurde Herbstzeit. In jener Gegend war es Sitte, jedes Jahr ein großes Pferderennen abzu­halten, Reich und Arm kamen aus einem Umkreis von vielen Meilen zusammen mit ihren Rundzelten aus Fell und dem frischgeernteten Korn. Sie verbrannten Weihrauchstäbchen zu Ehren der Götter, tanzten, tranken Wein und veranstalteten Wettkämpfe. Die jungen Männer suchten sich dort ihre Mädchen aus. Dies Jahr wünschte die Mutter, dass der Frosch mitkäme, aber er weigerte sich. "Ich will nicht gehen, Mutter. Da sind endlose Berge zu besteigen. Das ist zu weit für mich." Und er blieb zu Hause, während die anderen fortgingen.

Sieben Tage dauerte das Fest. Die letzten drei Tage gehörten den Pferderennen. Am Ende jedes Tages wurden die Sieger des Rennens von tanzenden jungen Mädchen umringt und in die Zelte ihrer Väter, Mütter und Brüder eingeladen, um dort den Chigko-Wein zu trinken, den die Mädchen in großen irdenen Krügen zubereiteten. Als am dritten Tag das letzte Ren­nen gerade begann, kam ein junger Mann, ganz grüngekleidet, auf einem grünen Pferd an­geritten und betrat mit ihm die Rennbahn. Er war stattlich und von kräftigem Wuchs. Seine Kleider waren aus bestem Brokat und Silber, sein Sattel mit Silber, Gold und Rubinen ver­ziert. Ein mit Silber und Korallen beschlagenes Gewehr hing an seiner Schulter. Jeder starrte zu ihm hinüber, als er um Erlaubnis bat, am letzten Rennen teilzunehmen. Als dann das Ren­nen begann, schien er nicht in Eile zu sein; er machte sich noch an seinem Sattel zu schaffen, da waren die anderen jungen Reiter schon fortgaloppiert. Aber er holte sie im Nu ein. Alle anderen Reiter achteten nur auf das Rennen, wie sie so über das weite Feld galoppierten, doch der Fremde lud mitten im Reiten sein Gewehr und schoss drei Adler herunter, die über ihm kreisten, jeden mit einem Schuss vom Pferderücken aus. Als er an den Zuschauern vorbeiritt, sprang er links vom Pferd herab, hob die schönsten goldenen Blumen auf und warf sie den Leuten zur Linken zu; dann sprang er rechts herab, hob einige Silberblumen auf und warf sie den Leuten zur Rechten zu. Wieder ritt er vorwärts, und als er über die grünen Wiesen presch­te, waren nur noch die Pferdehufe zu sehen, wie sie den Rasen aufwühlten; es sah aus, als ob er durch grüne Wolken ritt. Die Leute standen wie gebannt. Er überholte alle anderen Rei­ter und war der erste am Ziel.

Jeder bei diesem Pferderennen war hell begeistert, alte Männer und Frauen, die frommen Lama-Priester und die jungen Mädchen. Ein Geraune ging durch die Menge: "Wo kommt er her? Wie ist sein Name?" - "Er schoss vom Pferderücken aus und er sprang links vom Pferd nach den goldenen Blumen und rechts nach den silbernen. Nie zuvor hatte man so etwas ge­sehen!"- "Was für ein starker, was für ein schöner junger Mann! Seht nur den prächtigen Sat­tel, sein Pferd, die Seide und den kostbaren Brokat!" - "Wo ist nur das Mädchen, das zu solch einem Mann passen könnte?" Die jungen Mädchen umringten den Sieger, sangen und tanzten um ihn herum und luden ihn ein in ihre Zelte, damit er mit ihnen Chingko-Wein trinke, den sie in großen irdenen Krügen zubereitet hatten. Doch als die Sonne unterging, sprang der junge Mann schnell auf sein Pferd und ritt davon ohne Abschied zu nehmen, in die Richtung, aus der die Braut des Frosches und ihre Schwiegereltern gekommen waren. Alle Menschen sa­hen dem Staub nach, der von den Hufen des grünen Pferdes aufwirbelte.

Die Braut des Frosches wunderte sich, woher der junge Reiter wohl kam und auch sie dach­te, wie schön und stark er doch war. Sie hätte auch gern seinen Namen gewusst und warum er so schnell davon geritten war, als die Sonne unterging. Vielleicht, dachte sie, lebt er sehr weit von hier. Und als sie heimging, war sie, wie alle anderen auch, immer noch verwirrt. Der Frosch erwartete sie an der Tür. Alle begannen nun, ihm von dem Pferderennen zu erzählen; und sie waren überrascht, als sie herausfanden, dass er alles über die Ereignisse dort bereits wusste, selbst von dem unbekannten jungen Reiter -wusste er, bevor sie ihm davon erzählt hatten.

Nächstes Jahr, als es Herbst wurde, sollte das Rennen wieder am gleichen Platz stattfinden. Vater, Mutter und das Mädchen gingen wieder hin. Als die Zeit kam für die Pferderennen, dachten alle Leute an den grüngekleideten Reiter und sein grünes Pferd. Dieses Jahr sagten viele: "Wenn er diesmal kommt, müssen wir seinen Namen herausfinden, wo er lebt und unter welchem Chungpon." Am letzten Tag, vor dem Start zum letzten Rennen, betrat der Reiter in grünen Kleidern auf seinem grünen Pferd die Rennbahn. Er kam so plötzlich, als wenn er vom Himmel herabgestiegen wäre. Wieder hatte er sein schönes Gewehr bei sich, aber er trug diesmal ein noch prächtigeres Brokatgewand. Er setzte sich hin und trank Tee, während alle anderen Reiter schon mit dem Rennen begonnen hatten. Dann bestieg er sein Pferd und schon im Galopp lud er wie letztes Jahr sein Gewehr und schoss drei Adler herunter. Er sprang links herab und hob goldene Blumen auf, um sie den Leuten zur Linken zuzuwerfen, und er sprang rechts herab und hob silberne Blumen auf, um sie den Leuten zur Rechten zuzuwerfen, als er an ihnen vorbeiritt. Dann preschte er weiter, so schnell als ob er auf einer Wolke ritt. Nichts als eine grüne Wolke war zu sehen, die über die Wiese stob. Wieder war er der erste am Ziel.

Wie immer sangen und tanzten die jungen Mädchen zu Ehren der schnellen Reiter. Aber sie sangen und tanzten mit besonderer Begeisterung für diesen jungen Mann und luden ihn vor allen anderen ein, in ihren Zelten den Chingko-Wein zu trinken, den sie in großen irdenen Krügen zubereitet hatten. Als die Sonne unterging, eilte er wieder fort, bevor sie ihm Lebe­wohl sagen konnten. Die alten Männer und Frauen, die Lama-Priester und die zärtlichen jun­gen Mädchen starrten auf den Staub, der unter den Pferdehufen aufwirbelte, und ein wahrer Tumult brach aus, als wieder jeder den anderen fragte, wer das wohl sein könnte und woher er käme. Aber auch dieses Jahr hatten sie unterlassen ihn zu fragen, bevor er gegangen war.

Als das alte Paar und das Mädchen heimkamen, fanden sie wieder heraus, dass auch diesmal der Frosch alles wusste, was sich ereignet hatte, und dass der junge Mann der Sieger gewesen, obwohl er als Letzter gestartet war. Das Mädchen wunderte sich: Wie konnte er alles wissen, wenn er nicht dabei gewesen war. Warum musste der junge Mann vor Sonnenuntergang fort­gehen? Und warum ritt er in die gleiche Richtung davon wie sie? Konnte solch ein guter Reiter wirklich aus der Menschenwelt kommen? Und was für ein schöner, starker und netter junger Mann er war! Da beschloss sie, der Sache auf den Grund zu gehen.

Es schien nur ein Augenblick lang, da war es schon wieder Zeit zum jährlichen Rennen. Das Mädchen ging wie gewöhnlich mit den Eltern, um Weihrauchstäbchen zu verbrennen, zu tan­zen und Wein zu trinken. Aber am letzten Tag, dem Tag des großen Rennens, sagte das Mäd­chen zur Mutter: "Mutter, ich fühle mich nicht gut. Mein Kopf ist so schwer, als wöge er tau­send Pfund. Ich möchte nach Hause gehen. Las mich den Maulesel nehmen und jetzt ziehen." Die Eltern waren immer sehr rücksichtsvoll zu ihr und ließen sie mit dem Maulesel, der ihr Zelt trug, heimziehen. Sowie sie aus der Sicht der Eltern war, trieb sie den Maulesel zu schnellem Trab an. Als sie nach Hause kam, war das erste, was sie tat, nach dem Frosch zu sehen. Aber sie konnte ihn nirgends finden. Doch dann, am Feuerplatz, fand sie eine leere Froschhaut, die genau wie die ihres Mannes aussah. Sie nahm sie auf und vergoss Tränen der Freude und rief laut: "Ja, er ist der grüne Reiter! O Gott, wie glücklich bin ich! Ich habe einen Mann, der so schön und so stark ist und ein so wundervoller Reiter. Nun weiß ich aber nicht, ob ich jemals für ihn die richtige Frau bin! Was für ein glückliches Mädchen bin ich! Und zugleich was für ein armes Mädchen bin ich!" Sie trocknete ihre Tränen, aber sie flossen noch immer. Wieder und wieder blickte sie auf die Froschhaut und sagte grollend: "Warum musst du solch abscheuliche Haut tragen? Warum musst du so klein und hässlich sein? Möchtest du denn lieber ein Frosch sein als mein richtiger Ehemann?" Sie fühlte solchen Hass gegen die Haut, dass sie beschloss, sie zu verbrennen. Anderenfalls, dachte sie, wird er sich, wenn er heimkommt, sofort wieder in den kleinen schrecklichen Frosch verwandeln. So tat sie es denn und verbrannte die Haut.

Es war gerade Sonnenuntergang, als sie die Haut verbrannte. Da plötzlich ritt der junge Mann vor auf seinem Pferd, wie eine grüne Wolke, die vom Himmel herabkam. Er wurde blass vor Schrecken, als er sah, wie seine Haut verbrannte, und sprang von seinem Pferd, um die Haut dem Feuer zu entreißen. Zu spät: nur ein Bein war übrig. Er stieß einen tiefen Seufzer aus und fiel schlaff zusammen auf einem großen Stein, der vor dem Haus lag. Das Mädchen erschrak und lief, um ihm ins Haus hineinzuhelfen. "Mein lieber Mann", sagte sie traurig, "du bist in Wirklichkeit ein so schöner junger Mensch und so ein guter Reiter. Warum willst du ein Frosch sein? Andere Mädchen haben Menschen als Ehemann, aber mein Ehemann ist ein Frosch! Weißt du nicht, wie unglücklich mich das macht?"

Der junge Mann antwortete: "Mädchen, du warst zu ungeduldig. Was du tatest, tatest du zu früh. Du hättest warten sollen, bis ich genügend Kraft habe, dann hätten wir glücklich zu­sammenleben können. Nun werde ich nicht weiterleben und die Menschen werden kein Glück haben." - "Habe ich denn Unrecht getan?" fragte das Mädchen. "Was soll ich nun tun?" - "Es ist nicht dein Fehler. Ich war zu sorglos", sagte der junge Mann. "Ich wollte meine Kräfte erproben. Darum ging ich zu dem Wettkampf. Aber nun können weder die Menschen noch wir glücklich werden. Ich bin kein gewöhnlicher Mensch, sondern der Sohn der Mutter Erde. Hätte ich genügend Stärke erworben, so wollte ich mich erheben und für die Menschen arbeiten. Denn ich möchte eine Welt sehen, in der die Armen nicht länger von den Reichen zertreten und die einfachen Leute nicht mehr von den Herrschenden unterdrückt werden. Ich möchte einen Weg finden, auf dem wir leicht in das wunderbare Peking gelangen können, um dort unser Vieh gegen Korn einzutauschen, im Handel mit unseren Brüdern, den Han-Leuten. Aber ich bin jetzt noch nicht alt genug und habe noch nicht meine ganze Stärke erreicht. Ich kann noch nicht durch die kalte Nacht kommen ohne meine Froschhaut und ich werde ster­ben, bevor der Tag anbricht. Es wäre hier warm genug, wenn ich meine volle Kraft erlangt hätte, und ich hätte meine Arbeit für die Menschen tun können. Dann wäre unser Leben leicht geworden und ich hätte ohne meine Froschhaut leben können. Aber es ist noch zu früh. Ich kann hier nicht bleiben. Ich muss zurück zu meiner Mutter, noch heute nacht."

Tränen traten in die Augen des Mädchens, als sie dies hörte. Sie umklammerte den ge­schwächten Körper ihres Mannes mit ihren Armen und sagte tieftraurig: "O, mein lieber Mann, du darfst nicht sterben! Du musst leben. Ich will nicht glauben, dass du nicht leben kannst." Das Mädchen weinte so herzzerreißend, dass er schließlich ihre Hand nahm und sagte: "Mein junges Weib, gräme dich nicht so. Wenn du wirklich möchtest, dass ich lebe, so gibt es noch etwas, was du tun kannst." Er zeigte nach Westen. "Aber das kann nur gesche­hen, wenn es Gottes Wille ist und mit seiner Erlaubnis geschieht. Setz dich sofort auf mein Pferd; noch ist es Zeit, weil mein Pferd schnellfüßig ist. Es wird dich nach Westen tragen, wo ein Himmelspalast steht zwischen roten Wolken. Geh hinein und rufe Gott an. Bitte ihn um drei Dinge im Namen des Glücks aller Menschen, bitte ihn, sie zu versprechen, bevor der Tag anbricht. Merke sie dir gut: Das erste ist, dass die Menschen nicht länger in reich und arm geteilt sind; das zweite ist, dass die einfachen Leute nicht von den Herrschenden unterdrückt werden, und das dritte ist, dass da ein Weg gefunden wird, wie wir nach Peking gelangen und dort einen Markt haben für unsere Rinder und Schafe und dort andere Waren kaufen können von unseren Brüdern, den Han-Leuten. Wenn Gott dies verspricht, werden wir ein warmes und heiteres Leben haben und ich werde ohne meine Froschhaut leben können, auch in der Nacht. Und dann werde ich nicht sterben müssen."

Das Mädchen sprang sofort auf das Pferd und galoppierte davon. Es sah aus, als flöge sie in den Himmel. Der Wind pfiff hinter ihr her und sie überholte die blitzenden weißen Wolken. Zuletzt kam sie zu dem Himmelspalast, der rosagolden wie die Sonne schimmerte. Sie trat ein und trug Gott ihre Bitte vor. Gott war gerührt vor der Aufrichtigkeit und erhörte ihre Bitten. Gott sagte zu Ihr: "Weil du aufrichtig bist, will ich dir all deine Bitten erfüllen. Doch bevor der Tag anbricht, musst du in alle Häuser der Menschen in deinem Tal gegangen sein, um ih­nen die Nachricht zu bringen. Die Bitten werden nur erfüllt, wenn alle Menschen vor Sonnen­aufgang davon gehört haben. Und es wird nicht länger kalt sein in diesem Teil des Landes und dein Ehemann wird die Nacht ohne Froschhaut verbringen können." Das Mädchen freute sich. Sie dankte Gott, stieg ohne zu zögern auf ihr Pferd und wandte sich heimwärts, um vor Sonnenaufgang die Nachricht jeder Familie zu bringen.

Aber als sie in das Tal kam, stand ihr Vater, der Chungpon, am Tor seiner Burg. Als er seine Tochter heranreiten sah, rief er: "Was ist, Tochter, was ist geschehen? Warum reitest du zu dieser späten Stunde aus?" - "O, Vater, es ist wirklich etwas geschehen!" erwiderte die Toch­ter: "Gott hat mir etwas Wunderbares versprochen. Jetzt gehe ich in jedes Haus, um es allen Menschen zu sagen." - "Warum so eilig? Halt an und sage mir, was Gott dir versprochen hat", sagte der Chungpon. "Vater, es ist keine Zeit dafür, um anzuhalten und es dir zu erzählen", erwiderte das Mädchen. "Ich werde es dir später sagen." - "Das wirst du nicht tun", sagte ihr Vater. "Ich bin der Chungpon, nicht wahr? Du musst es mir zuerst erzählen." Und er schritt die Stufen herab und hielt die Zügel des Pferdes fest.

Das Mädchen wusste, sie musste schnell von ihm loskommen, so erzählte sie ihm alles. "Gott versprach uns drei Dinge", begann sie. "Das erste ist, dass es keinen Unterschied geben soll zwischen reich und arm." Der Chungpon runzelte die Stirn und fuhr sie an: "Wenn da kein Unterschied zwischen reich und arm ist, dann gibt es auch keine Rangunterschiede zwischen den Menschen. Wie sollen deine Schwestern dann eine Mitgift bekommen, he?" Er hielt die Zügel noch fester. "Das nächste ist, dass die einfachen Leute nicht von den Herrschenden un­terdrückt werden." - "Nicht unterdrückt von den Herrschenden, in der Tat! Wer wird denn die Arbeit für uns tun? Wer wird unsere Rinder und Schafe hüten?" Er ärgerte sich über die Ma­ßen, dann fragte er, was das dritte Versprechen sei. "Dass da ein Weg gefunden wird, wie wir nach Peking gelangen, um dort unsere Rinder und Schafe unseren Han-Brüdern zu verkaufen und ihre Waren einzuhandeln. O, Vater, wenn dies alles wahr wird, wird es schön und warm hier sein, so dass..."

Aber der Chungpon wollte nicht zu Ende hören. "Das ist alles Unsinn", brüllte er. "Wir ma­chen es jetzt ganz gut mit unseren Rindern und Schafen. Warum müssen wir die Waren von den Han-Leuten haben? Das sind sicher nicht Gottes Befehle. Ich glaube nicht ein Wort da­von. Ich werde nicht zulassen, dass du solche Dinge den Menschen erzählst." "Ich kann hier nicht länger bleiben, Vater", schrie das Mädchen. "Lass mich gehen!" Sie versuchte davonzu­reiten, aber ihr Vater wollte nicht die Zügel freigeben. Das Mädchen war außer sich vor Zorn und kämpfte mit ihm wie rasend.

Da krähte der Hahn. Das Mädchen sprang auf und versuchte, das Pferd anzuspornen. Aber noch immer hielt der Chungpon es fest. Der Chungpon keuchte und schrie seine Tochter an: "Bist du verrückt? Willst du, dass deine Schwestern ohne Mitgift heiraten? Willst du deinen Vater herabwürdigen und ihn seine eigene Arbeit tun lassen? Wer soll das Vieh hüten? Wer soll das Land pflügen? Bist du verrückt" Das Mädchen wusste nicht, was es tun sollte. Der Hahn krähte zum zweiten Mal, und da stand sie, noch immer mit dem Chungpon kämpfend. Verzweifelt peitschte sie ihr Pferd mit aller Kraft. Das Pferd bäumte sich auf in die Luft und warf den Chungpon zu Boden. Sie hatte erst ein Haus im Tal erreicht, als der Hahn zum drit­ten Mal krähte. Das Morgenlicht erhellte schon den Himmel und nur wenige Menschen hatten das Versprechen Gottes gehört.

Dem Mädchen wurde das Herz schwer. Der Morgen kam und sie hatte es nicht geschafft. Es war zu spät. Alles was sie tun konnte, war nach Hause zu eilen. Sie fand die zwei alten Leute weinend neben dem jungen Mann, und ihre Schwiegermutter sagte Gebete her für den Toten. So war alles vergeblich gewesen. Sie fiel auf den Körper des geliebten Mannes und weinte bitterlich und klagte sich und ihren Vater an.

Der Leichnam des Froschreiters wurde auf einem Felsvorsprung auf halber Höhe des Berges begraben. Und jeden Abend in der Dämmerung weinte das Mädchen an seinem Grab, bis sie eines Tages in einen Stein verwandelt war. Nun wurde ihr Weinen nicht länger gehört.



Ein andres Märchen, hier im Reim

fällt mir dazu auch noch ein.

In Japan kennt es jedermann,

das Froschmärchen "Kaerusan“.

Die Froschfrau

Ein junger Bauer einst erschrak

als er ein grässlich schrilles Quak

vernahm im Feld, ganz in der Nähe.

Als ob er sich zu Tode blähe

schrie verzweifelt jener Frosch,

den die Schlange in der Gosch

gerade wollt' hinunterschlingen

nach langem zähem Ringen.

Der Bauer eilte flugs herbei.

Gerade als den letzten Schrei

das Fröschlein sterbend wollte quaken,

hat der Bauer zugeschlagen.

Der Rohrstock traf die Schlange hart.

Dem Fröschlein blieb der Tod erspart.

An des Frosches Hinterbein

zog der Bauer, konnt' befrei'n

den Grünen aus der schlimmen Lage.

Der war dankbar, keine Frage.

Er dacht' bei sich, noch arg benommen:

"Gerade noch davongekommen".

Dann winkte er noch einen Gruß

und hüpfte in den nahen Fluss.

Eines Tags im nächsten Jahr.

Der Bauer auf dem Felde war.

Da sprach ihn dort ein Mädchen an:

"Ach bitte werd' mein Ehemann".

Der Bauer, weil das Mädchen schön,

hat sie sich genau beseh'n.

Und während er sie sich besah

sprach sie: "Ich heiß' Akashia.

Ich verricht' die Arbeit dir;

was du immer willst von mir,

würd' ich gerne für dich tun,

fleißig ohne auszuruh'n.

Nur eines darfst du nie mich fragen.

Woher ich komm', ich würd's nicht sagen".

Der Bauer prüfte ganz genau.

Dann nahm er schließlich sie zur Frau.

Und er hatte recht getan.

Sie umsorgte ihn fortan.

War fleißig, wurde niemals krank.

War nett zu ihm. Nie gab es Zank.

Eines Tages bat sie ihn:

"Lass' mich in die Heimat zieh'n.

Dort gibt es bald am Heimatweiher,

am Wochenende eine Feier.

Ich bitte dich, ach las' mich geh'n,

wohin? Du weißt, darfst du nicht seh'n".

Schließlich willigte er ein.

So zog sie los kurz drauf allein.

Doch er, weil ihn die Neugier plagte,

beachtete nicht was sie sagte.

Er schlich ihr nach, er musste seh'n

wohin so heimlich sie wollt' geh'n.

Durch Äcker, Wiesen, Felder, bald

führte sie der Weg zum Wald.

Hinter diesem lag sogleich

am Wegesrand ein großer Teich.

Sie ging ein Stück daran entlang.

Als plötzlich sie ins Wasser sprang

wusst' ihr Mann, der dieses sah

nicht so recht was da geschah.

Aus Angst und Sorge rannte er

ihr bis ans Ufer hinterher.

Doch als er dort war angekommen

hat er ein Quaken nur vernommen.

Hundert Frösche, er erschrak,

begrüßten ihn mit ihrem Quak.

"Korax, gah, gah" quakten sie.

Er stand am Ufer vis a vis.

Nahm sich einen großen Stein

und warf ihn in den Teich hinein,

dorthin wo die Frösche saßen.

Die verstummten und vergaßen,

vor Entsetzen ihr Geschrei.

Beendet war die Quakerei.

Der Bauer hat die Frösch' verflucht,

dann weiter nach der Frau gesucht.

Er suchte nach ihr ein paar Stunden

doch er hat sie nicht gefunden.

Da er nirgends sie geseh'n

ging er schließlich wieder heim.

Tat als wäre nichts gescheh'n

als sie Tags drauf traf ein.

Nach der Begrüßung, seine Frau,

erzählte ihm gleich haargenau,

was bei ihr zu Haus' passiert.

Sie war noch sichtlich irritiert.

"Beim Gottesdienst ist es gewesen.

Der "Shisai" hat grad vorgelesen,

als ein Meteorit schlug ein.

Den Pfarrer traf es schwer am Bein.

Die Predigt wurde abgebrochen,

vertagt bis demnächst, in zwei Wochen

zu Haus bei uns am Heimatweiher

stattfindet die nächste Feier.

Es war vielleicht ein Durcheinander

als wir gingen auseinander.

Das ganze Volk war aufgebracht.

Das hat der Meteorit vollbracht."

Der Bauer lachte lauthals los:

"Ach was, das war ein Stein doch bloß,

den ich nach den Fröschen schmiss

in meiner argen Bitternis.

Nachdem ins Wasser du gesprungen,

quakten sie ganz ungezwungen.

Da warf im Zorne ich den Stein

zu ihnen in den Pfuhl hinein."

"Ach, du warst dort, bist mir gefolgt.

Hast meinen Ratschlag nicht befolgt?"

"Ja, ich bin dir nachgegangen

um Gewissheit zu erlangen."

Als sie das hörte, da verschwand

spurlos sie von seinem Land.

Niemals kehrte sie zurück.

Vorbei des dummen Bauern's Glück.

Nun sitzt allein' er wieder da.

Sie fehlt ihm sehr, Akashia.

Ein Wort zur Go-Sammlung am Schluss

das ich noch erwähnen muss.

Sie ist die älteste von allen.

Wenn ich sie hätt' würd's mir gefallen.

Doch drüben dort in Tokyo

gefällt die Sammlung ebenso.

Dort ausgestellt macht sie erst Sinn.

Nach Tokyo gehört sie hin.

Japans Kunst als Lebenszeichen

soll sie dort zur Ehr' gereichen.


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