Anmerkungen
1. Die Japaner haben offenbar die Gabe, Kunstformen, die in anderen Ländern schon vor Jahrhunder-ten abgeschafft wurden, lebendig zu erhalten und weiter zu pflegen. Dies gilt auch für das Verfahren, Bücher in Form von langen Rollen zu schreiben oder zu malen. Diese Buchform, die heute als archa-isch und überholt gilt, hat nach ihrem "Goldenen Zeitalter" im 12. und 13. Jahrhundert zwar auch in Japan an Bedeutung verloren, ganz ausgestorben aber ist sie niemals. Bis heute versuchen Künstler immer wieder, neue Formen für diese alte Kunst zu finden (Elise Grilli). Zu den alten Rollenbildern führt die erwähnte Autorin weiter aus: "Moderne Museen stellen Bilderrollen meistens abgerollt aus, in langen Schaukästen, in bequemer Höhe für den stehenden Betrachter. Das aber widerspricht völlig der ursprünglichen Bedeutung der Bilderrollen. Rollen sind Bilder, nicht dekorative Gemälde. Sie sollen "gelesen" werden, und zwar, indem man auf dem Boden sitzt vor einem niedrigen Tisch, auf dem die Rolle liegt und auf dem sie zwischen den Händen abgerollt wird. Es ist nicht pedantisch, dem Leser diese Haltung zu empfehlen, denn diese Art der Betrachtung war die Voraussetzung für die Art der Zeichnung auf den Rollen". Eine ausgesprochen gelungene Buchrollen-Erzählung ist in der "Ge-schichte der Tiere" mit religiös-satirischem Hintergrund aufgezeichnet. Das Werk besteht aus 4 Rol-len, die Eigentum des Klosters Kozanji, einem Ort nahe von Kyoto, sind. Jedes dieser Rollenbilder ist von besonderer Eigenart. Während in den ersten beiden Rollen hauptsächlich Hasen, Pferde, Ochsen, Füchse, Elefanten, Drachen, Raubvögel und ähnliche Tiere dargestellt sind zeigen die letzten beiden Rollen Menschen als Haupt-Akteure, die sich im Verlauf des Bildgeschehens in Frösche und Affen verwandeln. Die schroffe Verwandlung der Menschen in Tiere die mit den gleichen Gebärden und in den selben Situationen wie vorher die Menschen gezeigt werden hat sozialsatirischen Hintersinn. Jede dieser Rollen, so lesen wir bei Herder, erzählt einwandfrei eine Geschichte. Die Schwierigkeit besteht nur darin, sie zu entschlüsseln. Es sind keine Geschichten des "Hofes", sondern Variationen und Scherze über das morastische Leben. Dieses Leben, so vielseitig, wie es Sekten, Klöster und Mönche gibt, eröffnet den Menschen von heute nicht immer den Zugang zu der feinen Situations-Komik von damals. Manchmal gehen die Szenen in ihrer Respektlosigkeit bis zum Äußersten. Z.B. jene in der ein in die Gewänder eines hohen Priesters gekleideter Affe einen Buddha-Frosch, der auf einem Seero-senblatt sitzt eine Moralpredigt hält.(Siehe Abbildung 2 Ausschnitt).
2. Der Bambus ist ein Symbol der chinesischen Mythologie, das von den Japanern übernommen wur-de. Aufgrund seines schnellen Wachstums, ( er hat seine Größe bereits nach zwei bis drei Wochen erreicht ) wird er dem Yang- Element zugesprochen. Das schnelle Wachstum des Bambus gilt als fruchtbar, kraftvoll und männlich im Gegensatz zum weiblichen Yin - Prinzip. Der Bambus wird in der japanischen Kunst häufig symbolisch auch in Verbindung mit Tieren gesehen. So ist das Bild von dem während des Gewitters im Bambuswald schutzsuchenden Tigers berühmt. Es versinnbildlicht die Schwäche des stärksten und gefährlichsten Tieres gegenüber der unbesiegbaren Macht der Natur. Dem Bambus kommt auch die Rolle des langen Lebens und der Ausdauer zu.( siehe auch unter dem Stichwort Bambus ).
3. Aussprache: Die Vokale des Japanischen werden gesprochen wie im Deutschen. Mehrere aufeinan-derfolgende Vokale sind getrennt zu sprechen; z.B. Susanoo spr. Susano-o, Torii spr. Tori-i, Tameuji spr. Tame-udschi, Tameie spr. Tame-i-e, Sakanoue spr. Sakano-u-e u.s.w.; ei dagegen klingt fast wie ein langes eu am Wortende, hinter ts und s wird verschluckt, z.B. Getsu spr. Gets, Ieyasu spr. I-e-yass, Amaterasu spr. Amaterass. Das Wort Netsuke wird also schlicht als Netske gesprochen. Die Konso-nanten lauten mit einigen Ausnahmen wie im Englischen: ch also ungefähr wie tsch oder tch im Deutschen, j ungefähr wie dsch oder dj. h vor i klingt nach der in Tokyo üblichen Aussprache ähn-lich wie ch in ich, z.B. hime (Fräulein) spr. chime. r ist ein Laut zwischen dem deutschen r und l ( fast wie rl ). y ist gleich dem deutschen j, z gleich dem deutschen oder französischen z ( also ein wei-ches s ).
4. Chinesische Münzen hatten in jener Zeit in der Mitte ein Loch durch welches die Cashschnur zum Aufbewahren des Geldes gefädelt wurde.
5. "Die Frosch-Verehrung bei den Chinesen lässt sich zumindest bis in die Schang-Periode (etwa 1450-1050 v.Chr.) zurückverfolgen". So lesen wir bei W. Hirschberg. Weiter heißt es dort: "Chinesi-sche Schriftzeichen auf Orakelknochen und Schildkrötenpanzern weisen darauf hin, dass die Chinesen zwei Froschtypen verehrten, zunächst die lebendigen Frösche und dann ihre Abbilder und Darstellun-gen, denen sie in eigenen Frosch-Heiligtümern vor den Altären ihre Verehrung erwiesen. Froschdar-stellungen auf Orakelknochen zeigen die Frosch-Gottheit mit zwei Hörnern. Oft werden auch in den alten chinesischen Schriften "Hornfrösche" erwähnt. Im Hsien-Chung-Chi heißt es: "Gewissen Frö-schen wachsen Hörner auf den Köpfen", und in einem anderen Werk, dem P'ou P'U-tse heißt es: "Vor 3000 Jahren trugen die Frösche Hörner auf ihren Köpfen", oder auch: "Dreitausend Jahre alte Frö-sche besaßen solche Hörner". In einem weiteren Werk, dem Yuh-men, werden die Hornfrösche bereits als zehntausend Jahre alt geschätzt. Aus allen diesen alten Schriften ist zu entnehmen - gleichwie ihr Inhalt im einzelnen als unglaubwürdig erscheinen mag - , dass die Menschen der Schang-Zeit das Bild eines Hornfrosches als Regengottheit verehrten" (W.Hirschberg).
6. In der chinesischen Mythologie herrscht die Vorstellung, dass sich eine dreibeinige Kröte im Mond befindet, die ihn während des Abnehmens langsam verschluckt. Die drei Beine symbolisieren die drei Mondphasen. Der Sage nach soll die Mondfee Chang Ngo ihrem Gatten Hou Yi ( beide sollen im 3. Jt. v.u. Z. gelebt haben ) das Mittel der Unsterblichkeit, das er von der Königsmutter des Wes-tens erhalten hatte, gestohlen haben und damit auf den Mond geflohen sein. Dort haben die Götter sie in eine Kröte verwandelt, während die Hülle der Pille zum Mondhasen wurde. Hou Yi dagegen lebt auf der Sonne, und einmal im Jahr treffen sich beide. Eine andere Legende betrachtet die dreibeinige Kröte als ein Geld erzeugendes und Schätze hütendes Tier. Sie gilt auch als ein Symbol des langen Lebens und wird dann meist mit Liu Hai dargestellt, einem jungen Mann, der als ein immer hilfrei-cher Heiliger angesehen wird.( W. Eberhard, Lex. chines. Symbole, Köln, 1983).
7. "Der Weg des Schönen". Buchtitel nach Li Ze Hou. Im Werke Ze- Hou's ist auf Seite 51 eine Gra-phik abgedruckt in welcher der Autor die Entwickung des sogenannten Frosch/Krötenmusters in Chi-na aufzeigt. Das Froschmuster ist hier dem Vogelmuster gegenübergestellt. An Hand der beiden Tiermuster zeigt Li Ze Hou die mythologische Entwicklungsgeschichte der Mondkröte und parallel dazu die des Goldenen Vogels (Sonnensymbol) auf. (Siehe Abb. 31-37).
8. Die Entwicklung des ersten Seismographen der Welt lässt sich genau datieren. In den historischen Aufzeichnungen der Han-Dynastie lässt sich noch heute nachlesen: "Im ersten Jahr der Yangjia-Herrschaft (132 n. Chr.) hat Zhang Heng eine Wetterfahne für Erdbeben erfunden. Dieser Apparat bestand aus einem feingeformten Bronzegefäß, einem Weinkrug ähnlich, mit einem Durchmesser von 8 chi, einem gewölbten Deckel und einer reich verzierten Außenseite. Innen hatte es in der Mitte eine Säule, die sich seitwärts in acht Richtungen verschieben konnte und dabei einen Öffnungs- und Schließmechanismus betätigte. Außen am Gefäß hatte es acht Drachenköpfe, jeder mit einer Kugel zwischen den Zähnen, während unten acht Kröten mit weitgeöffnetem Maul bereit saßen, die Kugeln aufzufangen. Wenn die Erde bebte, begann der Mechanismus, der die Drachen betätigte, auszuschla-gen, so dass ein Drachenkopf eine Kugel ausspie und diese ins Krötenmaul darunter fiel. Der dabei entstehende Ton erregte die Aufmerksamkeit des Aufsehers. Auch wenn der Mechanismus des Dra-chens ausgelöst worden war, regten sich die anderen sieben Köpfe nicht, und so ließ sich durch den Platz des betätigten Drachens die Richtung feststellen, wo das Erdbeben stattgefunden hatte. Eines Tages fiel einer Kröte die Kugel ins Maul, ohne dass jemand am Ort eine Erschütterung gespürt hät-te. Alle Beamten waren ob dieser scheinbar ohne Ursache hervorgebrachten merkwürdigen Wirkung erstaunt. Doch kam einige Tage später eine Botschaft mit der Nachricht von einem Erdbeben in Longxi. Danach waren alle von der geheimnisvollen Wirkung des Instrumentes überzeugt." Nachzu-tragen wäre, dass jenes Longxi rund 670 Kilometer vom Standort des Seismographen in der damali-gen Hauptstadt Luoyang entfernt war. Eine messtechnische Meisterleistung also, wie sie die Erdbe-benforschung erst in unserer Zeit wieder erreichte (Herbert Cerutti). (Siehe Abb.44)
9. Die Inseln der Unsterblichen wurden oft auf alten Räuchergefäßen abgebildet. Das in Si-Jian-gou südlich von Ji-yuan gefundene Gefäß hat einen Fuß, dem die Form einer Kröte gegeben wurde. Die Inseln der Unsterblichen sollen von riesigen Kröte oder Schildkröten getragen worden sein (J.Hildebrand). (Siehe Abb. 43).
10. Die in der chinesischen Keramik häufig dargestellte Kröte bildet den Gegenstand zahlreicher Legenden, die mit dem Mond und seiner Verfinsterung zusammenhängen. Man glaubte, dass eine Mondfinsternis eintrete, wenn die Kröte den Mond verschluckt. Sie scheint immer den Mond anzublicken (Daisy Lion).
11. Gemeint ist Abbildung 40.
12. Pferd, sowie auch Frosch/Kröte gelten in Japan als Symbole für große Ausdauer. Da diesen Tieren darüber hinaus auch überdurchschnittliche Zeugungskraft nachgesagt wird, ist anzunehmen, dass die abgebildete Netsukeschnitzerei eine Anspielung auf das Sexualverhalten der japanischen taoistiaschen Priester damaliger Zeit sein könnte.
13. Dieser Sennin gilt als historisch gesicherte Persönlichkeit und hat im 7./8. Jahrhundert als Eremit in der Provinz Shansi gelebt. Die Kaiserin Wu soll ihn gebeten haben, in die Dienste des kaiserlichen Hofes zu treten, er starb aber auf dem Wege dorthin. Einige Zeit später wurde dem Hof berichtet, man habe ihn wieder in den Bergen gesehen, er reite auf einem Pferd, das ihn über 1000 Meilen weit am Tage trage. Am Ziel angekommen, falte er das Pferd wie Papier zusammen und stecke es in seine Kürbisflasche. Er brauche nur den Inhalt der Flasche zu benetzen, dann stehe das weiße Pferd wieder zu seinen Diensten bereit. Im Jahre 735 folgte Chokwaro der Aufforderung des Kaisers Genso, an den Hof zu kommen. Der Kaiser fragte ihn, warum sein Haar so grau und sein Gebiss so lückenhaft sei. Statt einer Antwort riss sich Chokwaro alle Zähne und Haare aus und verließ den Saal. Als er diesen nach kurzer Zeit wieder betrat, hatte er schwarze Haare und Reihen perlengleicher Zähne. Ein ander-mal wollte Kaiser Genso in Erfahrung bringen, wie alt Chokwaro sei. Der Hofastrologe Hozen wurde mit dieser Frage an den Sennin beauftragt. Chokwaro antwortete ihm, er sei der Geist der weißen Fle-dermaus, die aus dem Urchaos stamme. Das Sprichwort "Hyotan Kara Koma" d.h. aus der Kürbisfla-sche entsteigt ein Pferd, will sagen: Es ist ein unerwartetes Ereignis eingetreten.( Richard Wolf S.72).
14. Schlange. Ein äußerst komplexes und universelles Symbol. Oft sind Schlange und Drachen austauschbar, und im fernen Osten wird gar kein Unterschied zwischen ihnen gemacht. Die Symbolik der Schlange ist po-lyvalent: sie kann männlich, weiblich oder aus sich selbst entstanden sein. Als ein Tier, das tötet, ist sie Tod und Zerstörung; als eines, das periodisch seine Haut erneuert, ist sie Leben und Auferstehung; eingerollt wird sie mit den Zyklen der Manifestation gleichgesetzt. Sie ist das Unberechenbare, das sich zeigt und plötzlich wieder verschwindet. Die Schlange wurde auch für zweigeschlechtlich gehal-ten. Sie ist das Attribut aller aus sich selbst heraus schaffenden Götter und steht für die schöpferische Kraft der Erde. Da sie unter der Erde lebt, hat sie Verbindung mit der Unterwelt und Zugang zu den Mächten der Allwissenheit und Zauberkraft der Toten. Die Schlange kann die Sonnenstrahlen, den Lauf der Sonne, den Blitz und die Kraft des Wassers darstellen und ist ein Attribut aller Flussgotthei-ten. Sie ist Weisheit; Macht; List; Heimtücke; Verschlagenheit; Finsternis; das Böse; die Verdorben-heit und der Versucher. "Sie ist die personifizierte Schicksalsmacht, behände wie das Unglück, mut-willig wie die Vergeltung, unbegreiflich wie das Schicksal". Schlangen oder Drachen sind die Hüter der Schwelle, von Tempeln und Schätzen des esoterischen Wissens und aller Mondgottheiten. Da sich die Schlange ohne Beine oder Flügel bewegt, symbolisiert sie den alles durchdringenden Geist; ist sie die innere Natur des Menschen und das Gewissen, da sie Felsspalten durchdringt. Sie kann auch eine Erscheinungsform böser Mächte wie Hexen oder Zauberer sein und so den bösen und verderbten As-pekt der Natur darstellen. Ein Kind, das mit einer Schlange spielt, stellt das wiedergewonnene Para-dies dar, das Freisein von Konflikten und das Ende der zeitlichen Welt. Die zusammengerollte und verknotete Schlange steht für die Zyklen der Manifestation, auch verborgene Macht, die Triebkraft bzw. die Möglichkeit entweder für das Gute oder für das Böse. Rund um das Ei gewunden, bedeutet sie das Ausbrüten des Lebensgeistes. Um den Baum oder jedes andere axiale Symbol geschlungen, symbolisiert sie die Erweckung der dynamischen Kraft, den Genius alles Wachsenden(Cooper).
15. Bei C. Netto und G. Wagener lesen wir über das Kappa folgendes: Kappa's sind äußerst gefährli-che Fabelwesen. Das Gesicht halb Schildkröte oder Eule, halb Frosch, aber mit spärlichem Haar-wuchs auf dem Kopfe, der Körper der eines Affen, aber von grüner Farbe und mit Schwimmhäuten an den Füssen, kurz, ein Fabelwesen, wie man es hässlicher nicht wünschen kann. Deshalb drohen auch die Mütter ihren ungezogenen Kindern am liebsten mit dem Kappa. Das unheimliche Scheusal treibt sein Unwesen im und am Wasser. Er findet Menschenfleisch genießbar und attackiert seine Opfer immer hinterlistigerweise an der Rückseite, wie aus gewissen Erscheinungen hervorgeht, die man an den Leichen Ertrunkener beobachtet, welch letztere ihr Schicksal nach japanischem Glauben oft ledig-lich dem Überfall des heimtückischen Kappa verdanken. Vom Kappa weiß man, dass er den harmlo-sen Anglern durch leises Zucken an der Schnur glauben machen möchte, eine Forelle habe angebis-sen. Jener zieht und - zieht sich plötzlich sehr schnell zurück, wenn ihm überraschenderweise die Fratze des Kappa hämisch entgegengrinst und ihn verhöhnt; denn das Ungeheuer hat dem Angler auch noch alle bereits gefangenen Forellen aus dem im Wasser hängenden Korb gefressen. Die Bosheit nur ist sein Pläsier. Bei Regenwetter steigt er aus seiner feuchten Wohnung ans Land, um hier in Gestalt eines harmlos blickenden Knaben, der für die Eltern Tofu Bohnenkäse geholt hat, mit irgendeinem Wanderer ein Gespräch anzuknüpfen - immer hinter ihm bleibend. Sind sie an einer einsamen Stelle angekommen, so rennt er plötzlich vor den nichts Böses ahnenden, nimmt die Gestalt eines dreiäugi-gen Mönches an, schlägt ein gellendes Lachen auf, wenn der zu Tode erschrockene mit schlotternden Knien dasteht, und verschwindet. Es gibt aber auch ein ebenso einfaches als sicheres Mittel, um den Kappa unschädlich zu machen. Begegnet man ihm, so reibt man seine Knie und verbeugt sich so tief, wie dies einem höherstehenden Wesen gegenüber als Begrüßung üblich ist. Der Kappa, der ebenso höflich als boshaft ist, erwidert den Gruß mit gleichen Bewegungen, unerachtet dass ihm dadurch das Leben spendende und erhaltende Wasser aus der auf seinem Kopf befindlichen Höhlung ausfließt. Sobald das Leben entflohen, steckt man ihn in die eigens dazu mitgebrachte Jagdtasche.
16. Mit Recht spielt die Lotusblume unter den Völkern des Ostens, und ihre Vertreterin im Lande der aufgehenden Sonne, die Wasserlilie ( Nelumbium ), bei den Japanern eine große Rolle. Das schöne Rosenrot oder Weiß ihrer kopfgroßen Blüten, der elegante Schwung ihrer langen Stängel, die originel-le Form der Fruchtkapseln und namentlich die graziöse Gestalt der riesigen saftgrünen, einen voll-ständigen geschweiften Kelch bildenden Blattes rechtfertigen ihren Ruf. Aber nicht ist es bloß ein Bild der aus tiefem Schlamm sich zu Licht und Reinheit emporarbeitenden Seele und das Ruhekissen, auf welches Buddha bei seiner Geburt niedersank, und das daher für alle Buddhastatuen das Piedestal abgibt, sondern sie ist auch eine Pflanze, die praktischer Verwendung fähig ist. Die Wurzeln wie die Fruchtkörner geben ein beliebtes Gemüse, das Blatt lässt sich ebenso wohl als Sonnenschirm wie als Hut verwenden, und wenn es heutzutage nicht mehr als Trinkgefäß benutzt wird, so gilt hierfür wahr-scheinlich derselbe Grund wie dafür, dass bei uns die alten riesigen Ritterhumpen nicht mehr in Gebrauch sind. Die Trinker von heutzutage sind eben nicht mehr imstande, mit den alten wackeren Ze-chern gleichen Schritt zu halten, und trinken daher aus Fingerhüten. In der Zeit Genroku, Ende des 17. Jahrhunderts, soll es üblich gewesen sein, sich den Sake im Lotusblatt kredenzen zu lassen, und man rühmt noch heute den günstigen, geschmackverbessernden Einfluss dieser Art Kelch auf das Getränk.(C. Netto 1901 ).
17. Das San-Sukumi-Motiv ist eine Allegorie auf die negativen Charaktereigenschaften des Men-schen, die es zu vermeiden gilt. Die drei Symboltiere stehen dabei für Kriecherei, Feigheit und Hin-terhältigkeit. Die San-Sukumi-Schnitzerei am Gürtel getragen soll den Besitzer immer daran erinnern, dass Unterwürfigkeit, Schleimerei und Ängstlichkeit im Leben zu nichts führt. Deutlicher als in die-sem Sinnbild, das japanische Künstler einst ersannen und in Netsuke-Kunstobjekte umsetzten, lässt sich in Worten kaum ausdrücken was gemeint ist. Das San-Sukumi-Motiv symbolisiert darüber hinaus die "Begrenzung der Macht". Die Schlange verschlinget den Frosch, dieser die Schlange, und der Schleim der letzteren ist Gift für die Schlange. Ob an dieser Behauptung etwas Wahres ist, lassen wir dahingestellt sein; jedenfalls die Japaner sind davon überzeugt, dass eine Schlange nie über die Schleimspur einer Schnecke hinwegkriecht.(Siehe auch Stichwort San-Sukumi).
Einen anderen Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des San-Sukumii-Symbols finden wir in einem japanischen Märchen. Toshio Ozawa hat es für uns aufgeschrieben. "Vor langer Zeit wohnte ein ar-mer Bauer mit seinen drei Töchtern an einem Berg. Eines Tages machte er sich auf den Weg zu sei-nem Reisacker, da fand er an der Flussmündung einen Frosch, der von einer Schlange verschluckt werden sollte. Er konnte den Frosch nur noch dadurch retten, dass er der Schlange versprach, ihr eine seiner drei Töchter zur Frau zu geben. Doch als er zu Hause auf seinem Schlaflager lag, hatte er große Angst wegen seines Versprechens. Da brachte ihm die älteste Tochter eine Tasse Tee. Er erzählte ihr, was geschehen war, und bat sie: "Willst du nicht die Frau der Schlange werden?" "Ach um Gottes Willen! Wer will denn die Frau einer Schlange werden?" rief sie aus und ging zornig hinaus. Da kam die zweite, die wurde ebenso zornig. Als die Jüngste aus der Küche kam, wobei sie sich die Hände abwischte, sagte sie: "Also, dann gehe ich zur Schlange." Da fiel dem Vater ein Stein vom Herzen, doch gleichzeitig bekam er große Angst um sie. Sie nahm tausend Nadeln und drei Flaschenkürbisse mit und wartete. Da kam die Schlange in Gestalt eines prächtigen Bräutigams mit japanischem Rock. Das Mädchen folgte ihm, und bald kamen sie an einen großen See. Die verwandelte Schlange sagte: "Das ist meine Wohnung. Tritt herein!" Darauf sagte das Mädchen: "Ich habe eine Bedingung: Nur wenn du diese Flaschenkürbisse versenken kannst, will ich deine Frau werden." Bei diesen Worten warf sie die mitgebrachten Flaschenkürbisse ins Wasser. Die Schlange bemühte sich vergeblich, sie zu versenken. Inzwischen hatte das Mädchen die tausend Nadeln rings um den See herum gesteckt. Ganz erschöpft kroch die Schlange ans Ufer. Aber überall waren Nadeln, von denen sie schließlich tot gestochen wurde. Das wäre alles.(T. Ozawa). Wir brauchen in diesem Märchen nur die Nadeln, die das Mädchen nebst den Flaschenkürbissen mit zur Wohnung der Schlange nimmt, gegen die Schnecke auszutauschen und schon haben wir unser "San-sukumi"-Motiv.
18. Frösche auf einem Lotosblatt sind auch eine Anspielung auf den japanischen Kaiser Go-Toba. Dieser fühlte sich, nachdem er sich von seinen Herrscherpflichten in die vermeintliche Ruhe seines Landhauses zurückgezogen hatte, so erzählt die Legende, durch das laute Quaken der Frösche im na-hen Teich gestört. Er gebot den Fröschen Einhalt, was diese auch prompt befolgten. Go-Toba führte das auf seine immer noch vorhandene Macht über alle japanischen Kreaturen zurück.
19. Der Phallus wird in der japanischen Kunst meist stark überdimensioniert dargestellt. In Jack Hil-liers Bänden "The Art of Japanese Book" finden sich zahlreiche Beispiele für diese Überproportionie-rung des männlichen Geschlechtsorgans. In nahezu allen erotischen Darstellungen des 16. bis 19. Jahrhunderts ist der japanische Mann, was die Größe seines Gliedes betrifft, stark übertrieben abge-bildet.(Ein richtiger Sexualprotz.) Nicht selten ist hierbei der Phallus in Oberarm-Stärke dargestellt. Diese Überdimensionierung spiegelt sich auch in der Netsuke-Kunst dieser Zeitepoche wider, wo andeutungsweise sogar Früchte wie Gurken, Melonen, Auberginen und ähnliches als Penis-Symbol dienen.
20. Über die Entstehung dieser Allegorie ist nur wenig bekannt. Bei der Recherche zu diesem Buch konnte ich keinen Querverweis auf den Ursprung des Frosch/Kröte/Sandalen-Symbol's finden. Den-noch will ich versuchen den Symbolgehalt des für uns Europäer recht merkwürdig erscheinenden Werbegeschenkes, welches in Japan offenbar sogar den roten Rosen vorgezogen wird, nach eigenen Vorstellungen und Beobachtungen etwas eingehender zu beleuchten. Der Frosch, dies ist bekannt, gilt wohl weltweit als ein Tier dem man zügellose Sexualität nachsagt. Viele der großen, bekannten Schriftsteller haben diese Tatsache geschickt zu nutzen gewusst und in großartige Literatur umgesetzt. Zahlreich sind die Beispiele in denen die Frösche als liebestoll beschrieben werden. Allein bei Her-mann Löns, unserem bekanntesten Natur- und Heidedichter ließen sich Seiten füllen mit Textbeispie-len die den Frosch so darstellen. Da heißt es beispielsweise in der "Geschichte von der Rohrweihe": "Durch das fahlgrüne Gras der Wiese stolperte in ungeschickten Sätzen ein Grasfrosch; stier blicken seine Augen, bläulicher Glast schillert in seinen Flanken; toll ist er vor Liebe und dumm vor Sehn-sucht"; oder an anderer Stelle: " .... und sogar die Grasfrösche, die vor Liebeskoller verblödet sind, wimmeln ungeschickt durcheinander und zappeln im Schilfgewirr." Das Sexualverhalten der Frösche, das Hermann Löns so meisterhaft in seine Geschichte einwebt, spiegelt sich natürlich auch in der japanischen Literatur wider. Dass der Frosch in allen Kulturen und Sprachen so häufig als Sexual-protz geschildert oder in der Kunst gar abgebildet, oft überkarikiert dargestellt wird, beruht ganz ein-fach auf seinem auffälligen Paarungsverhalten in der Natur. Große Schriftsteller und Künstler haben in ihren Werken immer das wiederzugeben versucht, was sie draußen in der freien Natur durch genau-es Beobachten erleben konnten. Zur Paarungsaktivität der Lurche muss man nun wissen, dass diese bereits in den ersten milden Frühlingsnächten einsetzt wenn andere Tiere aufgrund des ungemütli-chen Wetters und der relativen Kälte noch gar nicht an Sex zu denken wagen. Zudem drängt sich die Paarungszeit bei den Fröschen und Kröten auf eine sehr kurze Zeitspanne von unter zwei Wochen zusammen. Es liegt also nah', dass die Frösche in dieser Zeit alles tun um zur Paarung zu gelangen. Da sie die ersten sind die in der freien Natur mit dem "Liebeswerben" und dem bald darauf folgenden "Austausch der Zärtlichkeiten" beginnen, liegt es nahe, dass sie uns Menschen, die wir ja noch die gerade einsetzende Frühjahrsmüdigkeit zu bewältigen haben, immer wieder besonders auffallen. Wäh-rend wir um diese Jahreszeit noch relativ müde sind, konzentrieren sich die Froschmännchen in diesen Tagen auf alles was sich bewegt und auch nur annähernd wie ein laichbereites Weibchen geformt ist. Da die Augen der Frösche nicht mit den menschlichen Augen vergleichbar sind, sondern das Frosch-auge in erster Linie bewegliche Dinge erfasst reagieren die im Frühling überaus erregten Männchen einfach auf alles was sich bewegt oder auch nur verschwommen den Anschein einer Partnerin haben könnte. Naturforscher die sich speziell mit den Lurchen befassen haben immer wieder berichtet, dass sogar eine menschliche Hand, welche während der Paarungszeit nach einem Froschmännchen greift, im Reflex als Weibchen angenommen und artgemäß umklammert wird. Erinnern wir uns hier an Hermann Löns der in diesem Zusammenhang das für die Frösche wenig schmeichelhafte Wort "dumm vor Sehnsucht" festschrieb. Um den Bogen zurück nach Japan, zum Netsuke und vor allem zur Stroh-sandale zu spannen; liegt es da nicht nahe, dass ein "liebestolles" Fröschlein auch auf eine zufällig vorbeitreibende Strohsandale "reagiert"? Oft habe ich in meiner Kindheit, nachdem die sich jedes Jahr wiederholenden Frühlingshochwasser der Donau zurückwichen, Frösche auf irgendwelchem Treibgut hockend in den überschwemmten Donauauen beobachten können. In Japan wurde jahrhundertelang die Strohsandale als Standardfußbekleidung von der Landbevölkerung getragen. Da diese meist selbstgefertigten Sandalen naturgemäß nicht besonders haltbar waren, ist die Annahme durchaus rea-listisch, dass ausgediente, weggeworfene Strohsandalen überall zu finden waren und besonders eben auch von den Hochwassern der Flüsse mitgespült wurden. Meine Hypothese in bezug auf das Frosch/Sandalen-Motiv in der japanischen Kunst geht also davon aus, dass ab und zu auch ein liebes-tolles Fröschlein sich solch eine im Wasser treibende Sandale aussuchte, und verblendet in seinem grenzenlosen Liebeswahn nicht erkannte, wie ihm geschah. Dass solcherlei Lustfahrten verliebter Frösche nicht unbeobachtet blieben liegt nahe. Durch Verbreitung derartiger Beobachtungen, so mei-ne Theorie, entstand das Sandalen/Kröte/Frosch-Motiv. Wenn also auch heute noch in Japan, wie R. Wolf schreibt, anstatt von roten Rosen kleine Strohsandalen verschenkt werden um Frauen auf sich aufmerksam zu machen, soll damit wohl ausgedrückt werden, was ich am Beispiel des Frosches dar-gelegt habe. "Ich bin verliebt in dich", "ich bin blind vor Liebe", "ich möchte dich besitzen" usw. Durch die Sandale, die ja an den Füßen getragen wird könnte zusätzlich der Gedanke "sei mir unter-tan" oder "du wirst mir ja doch unterliegen" eine Rolle gespielt haben. Da der japanische Mann, und um ihn geht es ja wenn wir uns mit Netsuke befassen, den Humor und besonders den tiefsinnigen Humor liebt, kann mittels diesem, unserem Symbol so mancherlei, vor allem aber auch zweideutiges ausgedrückt werden.
21. Querverweis auf die in den neunziger Jahren in England verbreitete Tierseuche "Rinderwahn".
22. Oft werden Frösche auf einem alten Brunnentrog hockend dargestellt. Diese Schnitzart weist auf eine japanische Erzählung hin, in welcher ein Brunnenfrosch, jedes Mal wenn der Schöpfeimer in das Brunnenwasser plumpste, erschrak und eingeschüchtert wurde. Später als der Brunnentrog morsch und unbrauchbar geworden war, saß der Frosch triumphierend auf dem alten Schöpfgerät und freute sich über die Unterlegenheit des einstigen Tyrannen.
23. Zu diesem Netsuke ist leider keine Zeichnung vorhanden.
24. Metamorphose aus einem Blatt. Dieses Netsuke-Motiv verdeutlicht den Glauben der Ostasiaten an Wiederauferstehung und Seelenwanderung. Im Kreislauf der Wiedergeburten entsteht hier aus einer Pflanze ein neues Wesen, ein Frosch. Der Frosch und auch die Kröte sind auf "dem Weg der Götter" (Wiederauferstehungs-Zyklus) häufig wiederkehrende Symboltiere die auch die besondere Nähe der Menschen zu den Lurchen verdeutlichen.
25. Bei dem Stein auf welchem der Frosch sitzt handelt es sich um einen Schleifstein.
26. Zitiert aus Heyne Mini Nr. 177.
27. Die Übersetzung lautet. "Mit der Spitze des Penis streichelte er die Stelle des Dammes einhun-dertmal". (Heyne Mini Nr. 177 Seite 42).
28. Das Gleichnis von dem in einen Scheffel sitzenden Frosch, der das Gefäß für die große weite Welt hält, findet sich im Biyan lu (japan. Hekiganroku. "Die Niederschrift von der smaragdenen Fels-wand"). Der japanische Scheffel (to) fasst 18 Liter.
29. Im Gegensatz zu der in Europa weitverbreiteten Meinung, der Japaner wäre ein "Sex-Muffel" gibt die darstellende japanische Kunst früherer Jahrhunderte unzählige Beispiele von freizügiger Sexuali-tät im Lande der aufgehenden Sonne. In der europäischen Kunst-Geschichte gibt es nichts Vergleich-bares. Viele der frühen japanischen Holzschnitt-Meister griffen das Thema Erotik und Sex auf, so dass heute unzählige Drucke von alten erotischen Motiven in japanischen Kunst-Bänden zu finden sind. Manche der über dreihundert Jahre alten Darstellungen würden wir hier und auch heute noch als Pornographie einstufen. In Wirklichkeit jedoch sind all diese erotischen Holzschnitte aus der Frühzeit japanischen Kunstschaffens meisterhaft gefertigte Belege dafür, dass das Thema Sexualität in Japan keinem Tabu unterworfen war. Die eben angesprochene "offene Natürlichkeit" in bezug zum Thema Sex spiegelt sich auch in der Netsuke-Kunst wider. Auch hier gibt es zahlreiche Beispiele dafür, dass die erotische Darstellung in Japan viel freier gehandhabt wurde als im damals wahrlich noch "ver-schämten" Abendland.
30. Die Bildinschrift in japanischen Schriftzeichen lautet:
"Ein alter Teich - Basho springt hinein - Das Geräusch des Wassers".
Demgegenüber hat der Original-Haiku von Basho folgenden Wortlaut:
"Ein alter Teich - Ein Frosch springt hinein - Das Geräusch des Wassers".
31. Um die Kröte ranken sich viele volkstümliche Vorstellungen. Im Gedicht von Senryutei Karamaro aus Sendai (heute Präfektur Miyagi) werden die Kröte auf dem Mond und eine Kröte im Teich von Katsumata (in Kyoto) erwähnt; die Mondkröte gehe in Nebel gehüllt über den Strand von Sendai; die Kröte im Teich von Katsumata rufe: "Kein Wasser! Kein Wasser!"
Die Kröte von Kataumata ist keine legendäre Gestalt; ihr Ausruf nimmt Bezug auf ein Gedicht aus der Liedersammlung Manyoshu (9. Jh.): Das satirische Gedicht einer Hofdame als Antwort auf ein Ge-dicht des Prinzen Niitate über den Lotosteich von Katsumata. Die Dame wirft darin ihrem Liebhaber vor, eine unwahre Aussage gemacht zu haben, - ähnlich wie im Gedicht von Senryutei die Kröte das Vorhandensein von Wasser leugnet.(Steffi Schmidt Seite 170).
32. Die als Haiku bekannte Gedichtsform war bereits im 16. Jahrhundert populär und brachte eine Reihe sogenannter Hauku-Meister (haikaishi) hervor. Haiku adaptierten die Form der Kettengedichte, sie waren jedoch nicht mehr geprägt vom Geschmack der Aristokratie und deren Vorliebe für be-stimmte Themen und ein bestimmtes Vokabular, sondern vom Spott und Humor, der dem Alltag der einfachen Menschen entsprang, geprägt. Mit dem beginnenden 17.Jahrhundert entwickelten die Hai-ku-Dichter insbesondere die dichterischen Techniken und schufen eine große Anzahl oft rätselhafter Verse voller literarischer Metaphern und ungewöhnlichen Wortverbindungen. Das Spielerische des Stils entwickelte sich ganz besonders im Rahmen der "Pfeilzählen-Haiku" genannten Dichterwettstrei-te, in denen es darum ging, in einer festgesetzten Zeit möglichst viele Kettengedichte zu produzieren. (Der Name leitet sich von dem traditionellen Wettstreit der Bogenschützen im Tempel von Kyoto her, in dem derjenige Schütze siegte, der innerhalb von 24 Stunden die meisten Pfeile abgeschossen hatte). Eine der berühmtesten Größen dieser Marathon-Dichterwettstreite war der Haiku-Dichter Ihara Sai-kaku (1642-1693) aus Osaka, der 1677 innerhalb von 24 Stunden 1600 Haiku verfasste, die später unter dem Titel Haikai oyakazu ("Das große Haiku-Pfeilzählen") veröffentlicht wurden. Dieser Re-kord wurde zwei Jahre darauf von einem Dichter aus Sendai gebrochen, der es auf 3000 Haiku in 24 Stunden brachte, eine Zahl, die Saikaku dann 1680 mit 4000 Gedichten innerhalb von 24 Stunden erneut überbot. Sie wurden 1681 unter dem Titel Saikaku oyakazu ("Saikakus großes Pfeilzählen") veröffentlicht. Vier Jahre später,1884, soll Saikaku dann, anlässlich einer Zeremonie vor dem Sumiy-oshi-Schrein in Settsu (Osaka) innerhalb von 24 Stunden sage und schreibe 23 500 Haiku gedichtet haben, die vielleicht nur deshalb nicht überliefert sind, weil niemand in der Lage war, die durch-schnittlich 16 pro Minute produzierten Gedichte mitzuschreiben. Naturgemäß handelte es sich bei den in derartigen Tempo verfassten Versen aus "Saikakus großes Pfeilzählen" in der Regel nicht um große lyrische Dichtung, doch befinden sich z.B. auch Verse der folgenden Art darunter: "Ob ich ihn heute Nacht zu mir lasse oder nicht alles in dieser Welt hängt schließlich vom Gelde ab". (Siehe auch unter dem Stichwort Basho im Stichwortverzeichnis).
33. Damit sich der Leser ein Bild darüber machen kann, wie es in einem japanischen Haus zum Ende des 19. Jahrhunderts aussah, füge ich hier eine Beschreibung von Otto Kümmel ein. Diese Abhand-lung über das japanische Haus und japanisches Hausgerät wurde im Jahre 1889 niedergeschrieben, zu einer Zeit also, in der die japanische Tradition noch nicht durch westlichen Einfluss geprägt war. "Das Haus, das größte und wichtigste Gerät, bestimmt, wie bei uns, auch in Japan Zweck, Formen und künstlerisches Wesen des Geräts wesentlich mit, ja schafft sie zum großen Teile, und muss uns daher, in seiner allgemeinen Form wenigstens, nicht in seiner geschichtlichen und persönlichen Mannigfalt, einen Augenblick beschäftigen. Seine für die Gestaltung der Gerätekunst wichtigsten Eigenschaften sind die Abwesenheit fester Wände, seine Feuergefährlichkeit und seine Ausstattung mit Matten. Die dicken, weichen, graugrünen Binsenmatten, mit denen der Japaner den rohen Bretterfußboden seiner Zimmer belegt, sind ihm zugleich Stuhl, Tisch und Bett, erniedrigen seine ganze häusliche Lebens-weise um eine halbe Manneshöhe und ersparen ihm die meisten und umfänglichsten Geräte des Euro-päers. Da er des Stuhles nicht bedarf, der wieder einen hohen und großen Tisch nötig macht, sondern unmittelbar auf den Matten, höchstens auf einem Kissen hockt, genügen zu Schreib- und Lesezwe-cken, wie auch zum Essen kleine niedrige Tischchen, denn die Matten versehen den Dienst des Ti-sches mit. Das Bettgestell ersetzt ihm ebenfalls der Mattenboden, auf den er die Schlafmatratzen erst ausbreitet, wenn er zur Ruhe gehen will. Am Tage verschwinden sie hinter den Schiebetüren der ge-räumigen Wandschränke, die ihm die europäischen Schrankgebirge fast völlig ersparen. Auch diese Schränke aber nehmen nur das täglich und augenblicklich Nötige auf. Denn neben jedem wohlhaben-deren Hause steht als der Riesenschrein der Familie der feuerfeste Speicher, in dem der sorgliche Hausherr, der leichten Brennbarkeit seines Hauses und der Feuersbrünste eingedenk, alles einschließt, was er an wertvollem Hausrat besitzt. In den Zimmern steht also nur, was das Bedürfnis des Augenblicks fordert; mehr könnte nicht aufgestellt werden, weil die nötigen festen Wände fehlen. Auf drei Seiten schließen bewegliche und leicht entfernbare Schiebetüren das Zimmer ab - nach außen die mit durchscheinendem Papier bespannten Shoji, gegen die Nachbarräume die mit undurchsichtigem Papier bezogenen Fusuma. Die vierte Wand ist freilich fest, wenn Bambus- oder Holzgeflecht mit Lehmbewurf diese Bezeichnung verdient. Aber diese Seite nehmen die Wandschränke oder das Toko-noma, der Ehrenplatz des Hauses, die etwa ein Meter tiefe, leicht erhöhte Bildnische ein, in der bei passender Gelegenheit eines der Okimonos des Familienschatzes ausgestellt wird. Nur der Teil der Wand, den das Tokonoma freilässt, bietet Raum für schmale Börter und dergleichen. Das japanische Zimmer ist also so gut wie leer: keines unserer notwendigen Möbel - Stühle, Tische, Betten, Schrän-ke, Sofa - verstellt den kostbaren Raum, keine Ölgemälde in Goldrahmen tapezieren die Wände, kein Schmuckgerät drängt sich zwecklos und gelangweilt auf überflüssigen Börtern. In der Bildnische viel-leicht ein feinfarbiges Aquarellbild oder eine Tuschskizze in wundervoll gestimmtem Brokatrahmen, zu denen das milde Braun, Teegrün oder Stahlgrau der Tokonomawand, die edle Naturfarbe des Holzwerks, die zurückhaltenden Töne der Matten und der Schiebetüren den schönsten Grund bilden, davor etwa eine Blumenvase mit taufrischen Zweigen, ein Räuchergefäß aus Bronze oder Ton, auf den Börtern daneben höchstens ein eben weggelegtes Buch oder ein Schreibkasten, das ist alles, was das japanische Zimmer birgt. Was sonst an Gerät gebraucht wird, erscheint erst, wenn es benötigt wird, und verschwindet, sobald es überflüssig geworden ist. Das japanische Gerät ist also nur für den Gebrauch gedacht und gemacht, und erst der Gebrauch entfaltet seine eigentümliche Schönheit, die im wesentlichen Zweckmäßigkeit und ihr natürlicher Ausdruck in Stoff und Form ist. Zweck- und seelenloses Ziergerät - einen Widerspruch in sich - hat der Japaner für den heimischen Bedarf nie geschaffen, und einer "dekorativen" Wirkung ist sein Werk denn auch nur selten fähig. Um so tiefer und mächtiger ist der Zauber, der aus dem bescheidenen Gerät strahlt, wenn der Gebrauch ihm Leben gibt.( Otto Kümmel).
Freitag, 14. September 2007
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen